Eine Tagung der Landsmannschaft Westpreußen zog 25 Jahre nach Unter­zeichnung des deutsch-​­polnischen Nachbarschaftsvertrages Bilanz

Die dies­jäh­ri­ge verständigungs­politische Tagung der Lands­mann­schaft West­preu­ßen fand vom 22. bis 24. April in Duder­stadt statt und stand – anläss­lich des 25-​jährigen Bestehens des deutsch-​polnischen Nach­bar­schafts­ver­tra­ges – unter dem Titel West­preu­ßen in Euro­pa – Bilanz und Visio­nen. Die Finan­zie­rung der Tagung erfolg­te durch das Bun­des­mi­nis­te­ri­um des Innern und ermög­lich­te auch die Simul­tan­über­set­zung von Vor­trä­gen und Diskussion. 

Vier Grund­la­gen­vor­trä­ge am Freitag- und Sams­tag­abend sowie Sonn­tag­mor­gen ori­en­tier­ten die Teil­neh­mer über den aktu­el­len Stand der deutsch-​polnischen Nach­bar­schaft und die Ent­wick­lun­gen der letz­ten Jahr­zehn­te gera­de auch mit Blick auf Westpreußen.

Der Vor­sit­zen­de der AGMO e.V. – Gesell­schaft zur Unter­stüt­zung der Deut­schen in Schle­si­en, Ost­bran­den­burg, Pom­mern, Ost- und West­preu­ßen –, Dr. Tobi­as Nor­bert Kör­fer (Köln), führ­te mit sei­nem Vor­trag über Das Ende des Kom­mu­nis­mus und das Schick­sal der deut­schen Volks­grup­pe jen­seits von Oder und Nei­ße exem­pla­risch in die poli­ti­sche Lage der 1980er- und frü­hen 1990er-​Jahre ein. Dabei konn­te er auf das Archiv der AGMO e.V. zurück­grei­fen, die damals die ers­ten deut­schen Orga­ni­sa­tio­nen im Unter­grund unterstützte.

Auf die Aktu­el­len poli­ti­schen Ent­wick­lun­gen und die Verfassungs- und Bür­ger­rech­te in der Repu­blik Polen ging Tina de Vries (Regens­burg) vom Münch­ner Insti­tut für Ost­recht ein. Dabei blieb sie nicht bei ­einer detail­lier­ten Ana­ly­se der Aus­ein­an­der­set­zun­gen um den Ver­fas­sungs­ge­richts­hof ste­hen, son­dern ver­such­te eine Ein­schät­zung über die ver­fas­sungs­recht­li­che Gesamt­la­ge und pro­gnos­ti­zier­te Ent­wick­lung zu geben.

Über Kom­mu­nal­part­ner­schaft und die Euro­päi­sche Inte­gra­ti­on refe­rier­te der Geschäfts­füh­rer der Arbeits­ge­mein­schaft Kom­mu­na­le Part­ner­schaft (AKP), Bern­hard Knapstein, und warb für eine gemein­sa­me „kom­mu­na­le Außen­po­li­tik“ der ost­deut­schen Hei­mat­kreis­ge­mein­schaf­ten: Die AKP wid­met sich der Kon­takt­pfle­ge zwi­schen kom­mu­na­len Ent­schei­dungs­trä­gern in der Hei­mat und den Hei­mat­ver­trie­be­nen und hat mit dem jähr­li­chen Kom­mu­nal­po­li­ti­scher Kon­gress ein zen­tra­les Forum des bila­te­ra­len Aus­tau­sches geschaffen. 

Der bel­gi­sche His­to­ri­ker Mat­thi­as Ber­tels aus Löwen (Leu­ven) reg­te mit sei­nem Vor­trag über Die Ver­trie­be­nen als poli­ti­sche Avant­gar­de im 20. und 21. Jahr­hun­dert zur Refle­xi­on über Selbst­ver­ständ­nis und Pra­xis der Ver­trie­be­nen­po­li­tik an. Sei­ne The­sen ent­fal­te­te er am Bei­spiel der Unter­stüt­zung der Hei­mat­ver­blie­be­nen gera­de auch durch die Lands­mann­schaft West­preu­ßen und die AGMO e.V. 

Die durch die Grund­la­gen­vor­trä­ge ver­mit­tel­ten Ein­sich­ten fan­den am Sams­tag­vor­mit­tag Ver­tie­fung in zwei Vor­trä­gen zu exem­plarischen poli­ti­schen bzw. gesell­schaft­li­chen Her­aus­for­de­run­gen und damit ver­bun­de­nen Hand­lungs­fel­dern grenz­über­grei­fen­der Zusammenarbeit. 

Der stell­ver­tre­ten­de Stif­tungs­rats­vor­sit­zen­de der Kul­tur­stif­tung West­preu­ßen, Ale­x­ander Klein­schrodt M.A. (Bonn), wid­me­te sei­nen Vor­trag Grenz­über­schrei­ten­den Beob­ach­tun­gen und Ver­bin­dun­gen des um 1900 wir­ken­den Dan­zi­ger Natur­schüt­zers Hugo Con­w­entz. Der Refe­rent akzen­tu­ier­te des­sen Fähig­kei­ten, durch weit­läu­fi­ge Kon­tak­te inner­halb Euro­pas eine brei­te Auf­merk­sam­keit für Fra­ge­stel­lun­gen des natio­na­len Natur­schut­zes zu erzielen. 

Mit aktu­el­len Fra­gen des Denk­mal­schut­zes befass­te sich hin­ge­gen der Geschäfts­füh­rer der Deutsch-​Polnischen Stif­tung Kul­tur­pfle­ge und Denk­mal­schutz, Dr. Peter Scha­be (Gör­litz), der exem­pla­risch die Arbeit die­ser Stif­tung und ihrer pol­ni­schen Schwes­ter­stif­tung vor­stell­te. Seit ihrer Grün­dung konn­ten sie bereits die Restau­rie­run­gen zahl­rei­cher Kir­chen und ver­ein­zel­ter Pro­fan­bau­ten in den ehe­ma­li­gen deut­schen Ost­ge­bie­ten fach­män­nisch beglei­ten und finan­zi­ell fördern.

Raum zum Gedan­ken­aus­tausch zwi­schen Refe­ren­ten und Teil­neh­mern aus Deutsch­land und Polen boten die bei­den Arbeits­grup­pen zu den The­men Kul­tur­er­be für die Zukunft bewah­ren – Grenz­über­grei­fend Kul­tur­ar­beit för­dern (ag 1/​Leitung: Prof. Dr. Erik Fischer) und Die Gegen­wart gestal­ten – Gesell­schaft­li­che Her­aus­for­de­run­gen für Euro­pa und sei­ne Regio­nen (ag 2/​Leitung: Til­man Asmus Fischer).

Die ag 1 ver­tief­te die Fra­gen nach der Bewah­rung des Kul­tur­er­bes für die Zukunft und nach der För­de­rung grenz­über­grei­fen­der Kul­tur­ar­beit. Unter Betei­li­gung der bei­den Refe­ren­ten Alex­an­der Klein­schrodt M.A. und Dr. Peter Scha­be wur­den zunächst unter­schied­li­che Zugän­ge zu den Leit­be­grif­fen „Kul­tur“ und „Erbe“ dis­ku­tiert. Dar­auf­hin wur­de das Kon­zept der deutsch-​polnischen „Erin­ne­rungs­or­te“ vor­ge­stellt, und dabei rück­ten neben den bis­he­ri­gen natio­nal getrenn­ten Kon­struk­tio­nen der jewei­li­gen Geschich­te auch Mög­lich­kei­ten einer regio­nal wie inter­na­tio­nal begrün­de­ten gemein­sa­men Erin­ne­rungs­kul­tur vor den Blick.

Die ag 2 befass­te sich mit den drei Schwer­punk­ten: Ent­schä­di­gung deut­scher Zwangs­ar­bei­ter, Volks­grup­pen­rech­te und mut­ter­sprach­li­che Bil­dung der Deut­schen in Polen. Sibyl­le Dre­her (Ber­lin), Vize­prä­si­den­tin des BdV-​Frauenverbandes, berich­te­te über die aktu­el­le Aus­ar­bei­tung der Ent­schä­di­gungs­richt­li­ni­en. Dr. Kör­fer, Vor­sit­zen­der der AGMO e.V., und Mał­gorza­ta Kiełb, Deutsch­leh­re­rin aus Schnei­de­mühl, berich­te­ten über die Lage in Polen. Abschlie­ßend dis­ku­tier­te die ag über zukünf­ti­ge Hand­lungs­mög­lich­kei­ten der Vertriebenen- und Minderheitenorganisationen.

Dr. Gise­la Bor­chers, Til­man Asmus Fischer