I. Die Freie Stadt Danzig (1920–1939)
II. Die polnische Woiwodschaft Pommerellen (1920–1938) bzw. Großpommerellen (1938–1939)
III. Der ostpreußische Regierungsbezirk „Westpreußen“ (1922–1939)
IV. Die Grenzmark Posen-Westpreußen (1922–1938)
V. Der „Reichsgau Danzig-Westpreußen“ (1939–1945)
I. Die Freie Stadt Danzig (1920–1939)
Aufgrund des Artikels 100 und der folgenden Zusatzartikel des Versailler Vertrages vom 28. Juni 1919 wurde die Stadt Danzig mit einem 1.951 km2 großen Territorium vom Deutschen Reich abgetrennt und zu einem Freistaat erklärt. Der Stadtkreis Danzig und die beiden (1887 eingerichteten) Kreise Danziger Höhe und Danziger Niederung wurden um Bestandteile der ehemaligen westpreußischen Kreise Berent, Dirschau, Karthaus und Neustadt sowie um Bestandteile der östlichen westpreußischen Kreise Elbing-Land und Marienburg erweitert. Zugleich gab der Kreis Danziger Niederung die auf der Frischen Nehrung gelegenen Gemeinden Kahlberg, Narmeln, Neukrug und Vöglers an den Landkreis Elbing ab.
Die auffälligsten Konsequenzen dieser Gebietsveränderungen bildeten zwei neu eingerichtete Kreise:
- der Stadtkreis Zoppot (Landratsamt dortselbst) und
- der Kreis Großes Werder (Landratsamt in Tiegenhof).
Die Freie Stadt Danzig bestand daraufhin aus den beiden Stadtkreisen Danzig und Zoppot sowie aus den drei Landkreisen Danziger Höhe, Danziger Niederung und Großes Werder:
Die Gebietsveränderungen, die bei der Gründung der Freien Stadt Danzig vorgenommen wurden, lassen sich an einem Ausschnitt aus der von Walther Hubatsch entworfenen Karte „Verwaltungseinteilung von Ost- und Westpreußen. 1815–1945“ aus dem Jahre 1975 genau verfolgen: Die beiden neuen Kreise sowie die Staatsgrenze sind jeweils in roter Farbe gekennzeichnet.
Erreichbar ist hier auch die historische Karte aus dem Jahre 1930, die im Maßstab 1:100.000 einen detaillierten Überblick über das Gebiet der Freien Stadt Danzig bietet.
Als Präsidenten des Senats der Freien Stadt Danzig amtierten:
1920–1931 – Dr. Heinrich Sahm
1931–1933 – Dr. Ernst Ziehm (DNVP)
1933–1934 – Dr. Hermann Rauschning (NSDAP)
1934–1939 – Arthur Greiser (NSDAP)
II. Die polnische Woiwodschaft Pommerellen (1920–1938) bzw. Großpommerellen (1938–1939)
Im Versailler Vertrag war bestimmt worden, dass Kreise der ehemaligen westpreußischen Regierungsbezirke Danzig und Marienburg sowie (vom Reg.-Bezirk Allenstein) das Soldauer Gebiet an Polen abgetreten werden sollten. Diese Gebiete bildeten daraufhin den polnischen “Województwo pomorskie“ – die Woiwodschaft „Pomorze“ (Pommerellen) – mit der Hauptstadt Toruń (Thorn).
Die am Beginn dieser Seite eingestellte Geschichtskarte zeigt die davon betroffenen Kreise, die in der folgenden, alphabetisch geordneten Liste im Einzelnen aufgeführt werden. (1920 vorgenommene Veränderungen von Kreisgrenzen oder territoriale Verschiebungen zwischen Polen und dem Deutschen Reich sind jeweils bei den einzelnen Kreisen [Link zu dieser Rubrik] verzeichnet.)
Stadtkreise
Gdynia (Gdingen), 66 km², ab 10. Februar 1926 als kreisfreie Stadt gemeinsam mit den nördlich an den Stadtkreis Zoppot anschließenden Gemeinden aus dem Powiat Wejherowski ausgegliedert; die rapide Bevölkerungsentwicklung zeigen die Vergleichszahlen von 38.600 und 115.000 Einwohnern in den Jahren 1931 bzw. 1939
Grudziądz (Graudenz), 28 km² mit 54.000 Einwohnern
Toruń (Thorn), 59 km² mit 61.900 Einwohnern
Landkreise
Powiat brodnicki, 913 km² mit 56.300 Einwohnern, Sitz: Brodnica (Strasburg)
Powiat chełmiński, 738 km² mit 52.800 Einwohnern, Sitz: Chełmno (Kulm)
Powiat chojnicki, 1.854 km² mit 76.900 Einwohnern, Sitz: Chojnice (Konitz)
Powiat działdowski, Sitz: Działdowo (Soldau), gebildet aus dem östlichen Teil der Kreise Strasburg (Brodnica) und Löbau (Lubawa) sowie dem westlichen Teil des ostpreußischen Kreises Neidenburg (Reg.-Bezirk Allenstein); wurde ab 1. April 1938 der Woiwodschaft Warschau zugeordnet
Powiat gniewski, Sitz: Gniew (Mewe), 1924 aus den Gemeinden des Kreises Marienwerder gebildet, die 1920 an Polen gefallen waren, wurde zum 1. April 1932 aufgelöst; dabei fiel das Kreisgebiet größtenteils an den Powiat Tczew (Dirschau) sowie den Powiat Świecie (Schwetz)
Powiat grudziądzki, 758 km² mit 42.800 Einwohnern, Sitz: Grudziądz (Graudenz)
Powiat kartuski, 1.302 km² mit 68.700 Einwohnern, Sitz: Kartuzy (Karthaus)
Powiat kościerski, 1.162 km² mit 51.700 Einwohnern, Sitz: Kościerzyna (Berent)
Powiat lubawski, 833 km² mit 53.600 Einwohnern, Sitz: Lubawa (Löbau)
Powiat morski (Seekreis), 1.281 km² mit 79.900 Einwohnern, Sitz: Gdynia (1927–1928), danach (ab 21. März 1928) Wejherowo (Neustadt i. Westpr.); wurde am 1. Januar 1927 durch die Zusammenlegung der Kreise Wejhorowo (Neustadt) und Puck (Putzig) gegründet
Powiat pucki, Sitz: Puck; wurde zum 31. Dezember 1926 aufgelöst und bildete danach zusammen mit dem Powiat wejherowski den neuen Powiat morski
Powiat sępoleński, 681 km² mit 31.600 Einwohnern, Sitz: Sepolno Krajenskie (Zempelburg); entstand aus dem östlichen Teil des vormaligen westpreußischen Kreises Flatow sowie der – vom Kreis Tuchel übernommenen – Gemeinde Resmin
Powiat starogardzki, 1.127 km² mit 71.800 Einwohnern, Sitz: Starogard gdański (Preußisch Stargard)
Powiat świecki, 1.533 km² mit 88.000 Einwohnern, Sitz: Świecie (Schwetz)
Powiat tczewski, 716 km² mit 67.400 Einwohnern, Sitz: Tczew (Dirschau)
Powiat toruński, 864 km² mit 52.300 Einwohnern, Sitz: Toruń (Thorn)
Powiat tucholski, 1.039 km² mit 41.200 Einwohnern, Sitz: Tuchola (Tuchel)
Powiat wąbrzeski, 673 km² mit 49.900 Einwohnern, Sitz: Wąbrzeźno (Briesen)
Powiat wejherowski, 1.281 km² mit 85.400 Einwohnern, Sitz: Wejherowo; wurde zum 31. Dezember 1926 aufgelöst und bildete – mit dem Powiat pucki zusammengelegt – danach den neuen Powiat morski (Seekreis)
Die Geschichtskarte gibt überdies die Kreise zu erkennen, die der Woiwodschaft Pommerellen zum 1. April 1938 zugeordnet wurden und durch die das Gebiet des Polnischen Korridors zum „Województwo wielkpopomorskie“ – zur Woiwodschaft Großpommerellen – erweitert wurde. Dabei handelte es sich im Einzelnen um die folgenden Stadt- und Landkreise:
Stadtkreise
Bydgoszcz (Bromberg), 75 km² mit 117.200 Einwohnern
Inowrocław (Inowrazlaw/Hohensalza), 37 km² mit 34.400 Einwohnern
Landkreise
Powiat bydgoski, 1.334 km² mit 58.100 Einwohnern, Sitz: Bydgoszcz (Bromberg)
Powiat inowrocławski, 1.267 km² mit 67.500 Einwohnern, Sitz: Inowrazlaw/Hohensalza)
Powiat lipnowski, 1.535 km² mit 104.500 Einwohnern, Sitz: Lipno
Powiat nieszawski, 1.278 km² mit 117.900 Einwohnern, Sitz: Nieszawa (Nessau); ab 1. April 1932 in Aleksandrów kujawski
Powiat rypiński, 1.188 km² mit 84.900 Einwohnern, Sitz: Rypin
Powiat szubiński, 917 km² mit 47.800 Einwohnern, Sitz: Szubin (Schubin)
Powiat wyrzyski, 1.101 km² mit 64.900 Einwohnern, Sitz: Wyrzysk (Wirsitz)
Powiat włocławski, 1.325 km² mit 147.800 Einwohnern, Sitz: Włocławek (Leslau)
Als Woiwoden amtierten:
vom 19. 10. 1919 bis zum 2. 7. 1920: Stefan Łaszewski
vom 2. 7. 1920 bis zum 24. 3. 1924: Jan Brejski
vom 24. 10. 1924 bis zum August 1926: Stanisław Wachowiak
vom August 1926 bis zum Oktober 1926: Mieczysław Seydlitz
vom 12. 10. 1926 bis zum 4. 7. 1928: Kazimierz Młodzianowski
vom 28. 8. 1928 bis zum 18. 11. 1931: Wiktor Wrona-Lamot
vom 18. 11. 1931 bis zum 14. 7. 1936: Stefan Kirtiklis
vom 16. 7. 1936 bis zum 30. 9. 1939: Władysław Raczkiewicz
III. Der ostpreußische Regierungsbezirk „Westpreußen“ (1922–1939)
Durch den Versailler Vertrag vom 28. Juni 1919 wurde die Existenz der Regierungsbezirke Danzig und Marienwerder beendet.
Östlich der Weichsel blieben nach der Einrichtung des polnischen Korridors vom Regierungsbezirk Marienwerder der Restkreis Marienwerder (erweitert um ein kleines Gebiet des Kreises Graudenz), der Kreis Rosenberg (zu dem aus dem Kreis Graudenz die Landgemeinde Klein Thiemau und aus dem Kreis Löbau der Gutsbezirks Bonin hinzukamen) sowie der Kreis Stuhm beim Deutschen Reich. Vom Regierungsbezirk Danzig galt dies für Teile der Kreise Marienburg und Elbing sowie für den Stadtkreis Elbing insgesamt. Vom Kreis Danziger Niederung übernahm der Landkreis Elbing zudem neben den auf der Frischen Nehrung gelegenen Gemeinden Kahlberg, Narmeln, Neukrug und Vöglers, über deren weiteren Verbleib bereits in Versailles entschieden worden war, zum 24. Dezember 1920 auch noch die Landgemeinde Pröbbernau.
Nachdem das „Abstimmungsgebiet Marienwerder“ (die Kreise Marienburg, Marienwerder, Stuhm und Rosenberg) seit dem 16. August 1920 nicht mehr der „Interalliierten Kommission für Regierung und Volksabstimmung“ unterstellt war, setzten Bemühungen ein, aus den Restbeständen der beiden Regierungsbezirke eine kohärente und lebensfähige Verwaltungseinheit – und damit einen neuen „Regierungsbezirk Marienwerder“ – zu bilden. Dieser Regierungsbezirk wurde – rückwirkend zum 1. Juli – am 21. Juli 1922 durch das „Gesetz über die Neuordnung der Kommunalen Verfassung und Verwaltung in der Ostmark“ eingerichtet. Er wurde der Provinz Ostpreußen angegliedert, führte den Namen „Regierungsbezirk Westpreußen“ und hatte seinen Sitz in Marienwerder. Er umfasste – wie die am Beginn der Seite eingestellte Geschichtskarte zeigt – die Kreise Elbing-Stadt und ‑Land, Marienburg, Marienwerder, Rosenberg i. Westpr. und Stuhm.
Als Regierungspräsidenten amtierten:
1920–1922 – Theodor Christian Traugott Graf v. Baudissin
1923–1925 – Dr. Roland Heinrich Wilhelm Brauweiler
1926–1936 – Dr. Karl Johann Ferdinand Budding
1936–1939 – Otto von Keudell
IV. Die Grenzmark Posen-Westpreußen (1922–1938)
Die westlich der Weichsel liegenden Kreise der Provinz Westpreußen – Deutsch Krone, Schlochau und (nunmehr auf seinen westlichen Teil beschränkt) Flatow – sowie Gebietsteile der Provinz Posen – zu ihnen gehörten neben dem Stadtkreis Schneidemühl Fragmente der Kreise Bomst, Czarnikau, Filehne, Fraustadt, Kolmar i. Posen, Meseritz und Schwerin (Warthe) – waren nach den Bestimmungen des Versailler Vertrags nicht an Polen abgetreten worden, sondern beim Deutschen Reich geblieben. Sie alle wurden im November 1919 zunächst zum preußischen Verwaltungsbezirk „Grenzmark Westpreußen-Posen“ zusammengefasst, für den eine Regierungsstelle in Schneidemühl eingerichtet wurde. Schon wenige Monate zuvor, seit August 1919, waren die Bruchstücke der Kreise Czarnikau, Filehne und Kolmar i. Posen gemeinsam von Schönlanke aus verwaltet worden; und daraus entstand zum 15. Dezember desselben Jahres nun offiziell als größere Einheit der Netzekreis:
Der Netzekreis schloss seinerseits nach Süden hin bruchlos an den Kreis Deutsch Krone (sowie den Stadtkreis Schneidemühl) an, so dass sich aus dem nördlichen Restbestand der Provinz Posen ein schmaler Streifen ergab, der sich zwischen der früheren Provinzgrenze und der neu gezogenen Staatsgrenze erstreckte. Diese Erweiterung des westpreußischen Gebiets und des Stadtkreises Schneidemühl bis zum nördlichen Netze-Ufer gibt die eingangs der Seite gezeigte Geschichtskarte zu erkennen.
Im Januar 1921 erhielt der Verwaltungsbezirk Grenzmark Westpreußen-Posen den Namen „Grenzmark Posen-Westpreußen“; und – rückwirkend zum 1. Juli 1922 – wurden am 21. Juli 1922 durch das „Gesetz über die Neuordnung der Kommunalen Verfassung und Verwaltung in der Ostmark“ die drei voneinander getrennten Gebietsteile, die entlang der deutsch-polnischen Grenze aufgereiht waren, in den Rang einer preußischen Provinz gleichen Namens erhoben.
Schneidemühl wurde damit zum Sitz eines Oberpräsidenten, der, nachdem zum 1. August der Regierungsbezirk Schneidemühl gebildet worden war, zugleich als Regierungspräsident fungierte, denn das Territorium der gesamten Provinz war mit demjenigen des einen Regierungsbezirk identisch.
Das Konstrukt der „Grenzmark“, der kleinsten – und zudem relativ dünn besiedelten – Provinz des preußischen Staates, resultierte weniger aus dem Bemühen, einen funktionstüchtigen, wirtschaftlich prosperierenden kohärenten Raum zu schaffen, sondern vielmehr aus einer Symbolpolitik, die vor allem demonstrieren wollte, dass frühere Herrschaftsansprüche und Machtpositionen keinesfalls preisgegeben würden. In dieser Richtung wollte auch der aufwändige Ausbau der Kleinstadt Schneidemühl zu einer repräsentativen Provinzhauptstadt wirken, durch den, nachdem Städte wie Danzig, Bromberg, Posen und Thorn verlorengegangen waren, zugleich ein neues deutsches Kulturzentrum im Osten geschaffen werden sollte.
Nach nur zehn Jahren änderten sich die Zielsetzungen allerdings. Die Eigenständigkeit der Provinz rückte aus dem Zentrum der Interessen, weil sich nach dem „Preußenschlag“ vom Juli 1932 und erst recht nach der sogenannten Machtergreifung durch die Nationalsozialisten im Januar 1933 Herrschaftsstrukturen verschoben und die Verwaltungen in etlichen Regionen neu organisiert wurden. Nachdem Hans von Meibom, der Anfang 1933 das Amt des Regierungspräsidenten von Friedrich von Bülow übernommen hatte, im März desselben Jahres, nach der Reichstagswahl und dem Sieg der NSDAP, zurückgetreten war, wurde Wilhelm Kube, der Oberpräsident der Provinz Brandenburg, zugleich Oberpräsident der Grenzmark. Kube war bereits seit 1928 Brandenburger Gauleiter gewesen; nun wurde sein Gau gleich 1933 mit demjenigen der Grenzmark vereinigt, und nur ein Jahr später wurde die Schneidemühler Provinzadministration dem Oberpräsidium von Brandenburg unterstellt. Schließlich übernahm der Regierungspräsident von Frankfurt (Oder) ab 1937 sogar die Zuständigkeit für die Verwaltung insgesamt.
Diese Tendenz vollendete sich darin, dass die Bruchstücke, die die Grenzmark Posen-Westpreußen gebildet hatten, im März 1938 mit einem Gesetz zur Gebietsbereinigung in den östlichen Provinzen den jeweiligen Nachbarn zugeordnet wurden: Die Kreise Schwerin (Warthe), Meseritz und der nördliche Teil des zeitgleich aufgelösten Kreises Bomst wurde an den brandenburgischen Regierungsbezirk Frankfurt (Oder) und der südliche Teil des Kreises Bomst und der Kreis Fraustadt an den schlesischen Regierungsbezirk Liegnitz angeschlossen.
Der nördliche Komplex mit den früher westpreußischen Kreisen Deutsch Krone, Flatow und Schlochau sowie der Netzekreis und der Stadtkreis Schneidemühl sollte seinerseits zu einer größeren Einheit erweitert werden, und zwar durch die Verbindung mit den neumärkischen Kreisen Friedeberg (Nm.), Arnswalde und Soldin sowie den pommerschen Kreisen Dramburg und Neustettin, und als derart neu konstituierter „Regierungsbezirk Grenzmark Posen-Westpreußen“ in die Provinz Brandenburg integriert werden. Kurz vor dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Gebietsbereinigung am 1. Oktober 1938 führte ein Änderungsgesetz vom 2. September dann aber kurzfristig dazu, dass der Regierungsbezirk – nun jedoch ohne den Kreis Soldin – letztlich an die Provinz Pommern kam. Daraus ergab sich die folgende Formation des neuen pommerschen Regierungsbezirks:
Dass der Regierungsbezirk weiterhin den Namen „Grenzmark Posen-Westpreußen“ erhielt, erscheint vor dem Hintergrund der tiefgreifenden Veränderungen im Gesamtarrangement und in der Zuordnung des Gebietes kaum mehr als eine nostalgische Geste gewesen zu sein. Deshalb ist es nur folgerichtig, dass bei den Planspielen, die dem Entstehen des Reichsgaus Danzig-Westpreußen (im Herbst 1939) vorausgingen, nicht mehr ernsthaft ins Kalkül gezogen wurde, neben der Freien Stadt Danzig, der polnischen Woiwodschaft Pommerellen und dem östlich gelegenen Regierungsbezirk Westpreußen auch auf den westlichen, nun zu Pommern gehörigen Teil der früheren Provinz als vierten Baustein für diese restaurative Einheit zurückzugreifen.
Als Oberpräsidenten amtierten:
1922–1933: Friedrich von Bülow (DVP)
1933: Hans von Meibom (DNVP)
1933–1936: Wilhelm Kube (NSDAP) (als Oberpräsident von Brandenburg kommiss.)
1936–1938: Emil Stürtz (NSDAP) (ebenfalls in Personalunion)
V. Der „Reichsgau Danzig-Westpreußen“ (1939–1945)
Die Geschichtskarte, die die vier Bereiche der territorialen Neuordnung ab 1920 veranschaulicht, kann auch für die Zeit von 1939 bis 1945 noch einmal herangezogen werden, und zwar als Ausgangspunkt eines Vergleichs mit der Konstellation, die kurz nach dem Beginn des Zweiten Weltkrieges geschaffen worden ist:
Einem von Staatsgrenzen durchzogenen und in kleine Einheiten zergliederten Gebiet auf der Karte von 1920 steht ein kohärentes und geschlossenes Gebilde gegenüber, das sich lediglich durch unauffällige Provinz- bzw. Gaugrenzen von den Nachbar-Regionen abhebt. Bevor die Einheitlichkeit und leichte Überschaubarkeit des Raums allerdings als vorteilhaft eingeschätzt wird, sollten die Beobachterinnen und Beobachter bedenken, dass beide nur durch eine staatliche Macht entstehen konnten, die mit brutaler militärischer Gewalt und jenseits geltender Rechtsnormen agierte und sich legitimiert sah, Verträge zu brechen und sich über legitime Ansprüche anderer Völker hinwegzusetzen.
Unter dieser Voraussetzung freilich konnte es geschehen, dass das Großdeutsche Reich direkt zu Beginn des Zweiten Weltkrieges die Freie Stadt Danzig in sein Gebiet eingliederte und unmittelbar nach der Eroberung des Weichsel-Korridors Mitte September 1939 einen „Militärbezirk Westpreußen“ errichtete, der den polnischen Województwo Wielkopomorskie (Woiwodschaft Großpommerellen) im Süden bis an die Netze heran einschloss und sich keineswegs auf Gebiete beschränkte, die vor 1920 zum Deutschen Reich gehört hatten. Vielmehr wurden auch die – nun in Leipe und Rippin umbenannten – Kreise Lipno und Rypin mit übernommen, die bis zum Versailler Vertrag zum Russischen Zarenreich und danach bis zum 1. April 1938 zur Woiwodschaft Warschau gehört hatten. Zum Chef der Zivilverwaltung im Militärbezirk Westpreußen und späterhin – mit der Schaffung des Reichsgaus im Oktober 1939 – zum „Reichsstatthalter“ wurde der Danziger Gauleiter Albert Forster ernannt. Er förderte massiv eine „Volkstumspolitik“, die vor umfangreichen Massakern nicht zurückschreckte. Sie betrafen in hohem Maße die polnische Zivilbevölkerung, und dabei vornehmlich die Eliten – dieses Mordprogramm trug den zynischen Titel „Intelligenzaktion“ –, und wurden auch von Mitgliedern des paramilitärischen „Volksdeutschen Selbstschutzes“ begangen. Darüber hinaus boten Vertreibungen, Deportationen, Inhaftierungen (z. B. im bei Danzig gelegenen KZ Stutthof) oder Kampagnen zur Eindeutschung der Bevölkerung Instrumente jener Politik, die letztlich darauf abzielte, die Region „polenfrei“ zu machen.
Der „Militärbezirk Westpreußen“ wurde am 26. Oktober 1939 mit dem Gebiet der ehemals „Freien“ Stadt Danzig und dem ostpreußischen Regierungsbezirk Westpreußen zum neu geschaffenen „Reichsgau Westpreußen“ zusammengefasst. Dadurch entstand allerdings keine neue preußische Provinz; vielmehr wurde die Region als „Reichsgau“ direkt in das Deutsche Reich eingegliedert. Die polnischen Gebiete des Reichsgaus wurden damit annektiert. Am 2. November schließlich wurde der endgültige Name „Reichsgau Danzig-Westpreußen“ festgelegt.
Die Betrachtung der Kartenskizze gibt im Vergleich mit den Konturen der früheren Provinz folgende Spezifika zu erkennen:
- Die früheren westpreußischen, inzwischen zu Pommern – und mithin zum Reichsgebiet – gehörenden Kreise Schlochau, Flatow und Deutsch Krone blieben von Vornherein unberücksichtigt.
- Das Gebiet, das ehemals die Provinz Westpreußen gebildet hatte, wurde durch den Stadt- und Landkreis Bromberg sowie um den Landkreis Wirsitz (mit dem Landratsamt in Wirsitz) erweitert. Dabei wurde Bromberg zugleich Sitz des neu eingerichteten Regierungsbezirks gleichen Namens.
- Zudem kamen innerhalb des Regierungsbezirks Marienwerder die beiden Kreise Rippin (Rypin) und Leipe (Lipno) hinzu.
- Da die weitere Zugehörigkeit des (1919/1920 geteilten) Kreises Flatow zu Pommern außer Frage stand, wurde der aus dem östlichen Kreisgebiet gewonnene Powiat sępoleński unverändert aus der Woiwodschaft Großpommerellen in den Regierungsbezirk Bromberg übernommen und bildete dort nun den Landkreis Zempelburg (mit dem Landratsamt in Zempelburg).
Schließlich wurden
- der Stadtkreis Gdynia (Gdingen), der 1926 innerhalb der Woiwodschaft Pommerellen eingerichtet worden war, in den Reichsgau übernommen und dort – umbenannt – als Stadtkreis Gotenhafen weitergeführt und
- der Landkreis Löbau – dem langjährigen Sitz seiner Verwaltung gemäß – 1940 in „Landkreis Neumark“ umbenannt.
Die Übersichtskarte über den Reichsgau könnte den Eindruck erwecken, dass hier trotz der erläuterten, nicht unerheblichen Abweichungen noch einmal die ehemalige Provinz Westpreußen „wiedererstanden“ sei. Dabei dürfte dann allerdings nicht übersehen werden, dass die Annexion des Korridor-Gebietes völkerrechtswidrig war und juristisch als „von Beginn an unwirksam“ zu betrachten ist. Dieser Zusammenhang spiegelt sich nicht zuletzt auch in der außenpolitischen Praxis der Bundesrepublik Deutschland wider, die bis zum Warschauer Vertrag 1970 bzw. bis zum deutsch-polnischen Grenzvertrag 1990 die staatliche Zugehörigkeit Ostdeutschlands zum deutschen Staatsgebiet niemals in Frage zog, auf andere Gebiete, die wie der Weichsel-Korridor erst nach 1937 übernommen bzw. eroberten wurden aber, und zwar im strikten Gegensatz zur Republik von Weimar, keine territorialen Ansprüche mehr erhob.