Am 24. April, dem Vor­abend ihres Geburts­ta­ges, wur­de Elfrie­de Ali­ce Kuhr, die unter dem Namen Jo Miha­ly als Tän­ze­rin, Schau­spie­le­rin und Schrift­stel­le­rin inter­na­tio­na­le Bedeu­tung erlang­te, in ihrer Hei­mat­stadt geehrt :  An der Wand des Hau­ses Nr. 7 am Plac Kon­sty­tuc­ji 3 Maja (frü­her Zeug­haus­stra­ße), in dem sie auf die Welt kam, wur­de vom Bür­ger­meis­ter der Stadt, Piotr Głow­ski, eine Erin­ne­rungs­ta­fel ent­hüllt. Er wur­de von Jan Szwed­ziń­ski, Stadt­rat von Schnei­de­mühl, und Wiesła­wa Szc­zy­gieł beglei­tet, die die Initia­ti­ve für die­se Ehrung ergrif­fen hat­te ;  zudem nahm Tomasz Wola, der Pfar­rer der Evangelisch-​​Augsburgischen Kir­che, an dem offi­zi­el­len Akt teil :  nach ihrer Ent­hül­lung weih­te er die Tafel. Gestal­tet hat­te sie unent­gelt­lich der Pose­ner Künst­ler Nor­bert Sarne­cki, der sich bei der Lek­tü­re ihres Kriegs­ta­ge­bu­ches von Jo Miha­ly hat­te begeis­tern las­sen ;  gestif­tet wur­de sie vom Schnei­de­müh­ler Staszic-​​Museum. Nun bleibt zu hof­fen, dass die­se Tafel bei vie­len wei­te­ren Bewoh­nern der Stadt das Inter­es­se an dem außer­ge­wöhn­li­chen Mäd­chen Elfrie­de Kuhr sowie an ihrem spä­te­ren, erfolg­rei­chen Wir­ken wecken möge.

Im Gebäu­de der ehe­ma­li­gen Kaiserin-​​­Auguste-​​Viktoria-​​Schule, die Elfrie­de, die in ihrem enge­ren, ver­trau­ten Kreis mit dem Kose­na­men „Pie­te“ ange­spro­chen wur­de, besucht hat­te (und von deren frü­he­rem Zustand ledig­lich noch der Fuß­bo­den und die alte Ein­gangs­tür zeu­gen), hat­ten sich am Vor­mit­tag die­ses Tages heu­ti­ge Schü­le­rin­nen und Schü­ler über das Leben der viel­fach begab­ten Künst­le­rin infor­miert. Am Abend fand dann im Regio­na­len Kul­tur­zen­trum eine Gedenk-​​­Veranstaltung mit Lesun­gen und einer Prä­sen­ta­ti­on von Fotos statt, die die Schnei­de­müh­ler Hei­mat­stu­be in Cux­ha­ven zur Ver­fü­gung gestellt hat­te. Über­dies hielt Wiesła­wa Szc­zy­gieł einen Vor­trag über die gro­ße Toch­ter der Stadt. Ehren­gast war an die­sem Abend Hele­na Mai­er, die aus Ber­lin ange­reist war :  Sie hat­te wesent­li­che Impul­se zur Wie­der­ent­de­ckung Elfrie­de Kuhrs gesetzt, als sie 2007, vom Insti­tut für Aus­lands­be­zie­hun­gen in Stutt­gart ent­sandt, bei der Deut­schen Sozial-​​Kulturellen Gesell­schaft in Schnei­de­mühl ein Prak­ti­kum absol­vier­te und in die­sem Zusam­men­hang zur Mit­ge­stal­te­rin des in die­ser Zeit durch­ge­führ­ten Pro­jekts  „Euro­päi­sches Kul­tur­er­be. Jo ­Miha­ly – ein Wie­der­se­hen nach Jah­ren“ wurde.

Die Ehrung knüpf­te an eine Ver­an­stal­tung an, die Pie­te Kuhr bereits Ende des letz­ten Jah­res ins Zen­trum der Auf­merk­sam­keit gerückt hat­te :  Beglei­tet von einer Lesung, einer audio­vi­su­el­len Vor­füh­rung von Foto-​​­Dokumenten, einer Tanz­per­for­mance sowie einem Kon­zert, wur­de bei die­ser Gele­gen­heit die ers­te pol­ni­sche Über­set­zung des auto­bio­gra­phi­schen  „Kriegs­ta­ge­buchs eines Mäd­chens 1914–1918“ vor­ge­stellt, das Elfrie­de Kuhr – inzwi­schen als Jo Miha­ly – 1982 unter dem Haupt­ti­tel …da gibt’s ein Wie­der­se­hen ver­öf­fent­licht hat­te. (­Eini­ge Jah­re nach dem Tode der Schrift­stel­le­rin erschien ihr Buch auch auf Eng­lisch.) Nun haben auch pol­ni­sche Lese­rin­nen und Leser die Mög­lich­keit, die sen­si­blen Beob­ach­tun­gen der Autorin, die Schil­de­run­gen ihrer Lebens­er­fah­run­gen und die prä­zi­sen Cha­rak­te­ri­sie­run­gen ihrer Mit­men­schen nach­zu­voll­zie­hen. Dank vie­len Foto­gra­fien und infor­ma­ti­ven Anmer­kun­gen kann der Band sie zudem wie ein Rei­se­füh­rer durch eine Stadt gelei­ten, die längst unter­ge­gan­gen ist. Mit die­ser Prä­sen­ta­ti­on wur­den die von ande­ren Mit­ar­bei­tern – wie Marek Fijał­kow­ski und Jan Szwed­ziń­ski – unter­stütz­ten Bemü­hun­gen von Wies­la­wa Szc­zy­gieł um die Ver­öf­fent­li­chung die­ses Tex­tes auf Pol­nisch von Erfolg gekrönt. Die­se Publi­ka­ti­on wird die Bekannt­heit von Jo Miha­ly in ihrer Hei­mat­stadt wesent­lich fes­ti­gen. Sie wird neben Sta­nisław Staszic, dem her­aus­ra­gen­den Schrift­stel­ler, Publi­zis­ten und Poli­ti­ker (1755–1826), oder dem Poli­ti­ker und Wider­stands­kämp­fer Carl Fried­rich Goer­de­ler (1884–1945), die eben­falls bei­de aus Schnei­de­mühl stamm­ten, nun in jedem Fal­le als gro­ße Toch­ter die­ser Stadt eine eigen­stän­di­ge, zumin­dest ver­gleich­ba­re Strahl­kraft entfalten. 

Andrzej Niśkie­wicz
Über­set­zung aus dem Pol­ni­schen: Joan­na Szkolnicka


Im Rah­men des Pro­jekts, an dem Hele­na Mei­er im Jah­re 2007 maß­geb­li­chen Anteil nahm, wur­de eine Bro­schü­re ver­öf­fent­licht, in der sie schrieb :  „Ich ergat­ter­te Pie­te Kuhrs Tage­buch, nach­dem mich Jan Szwed­ziń­ski dar­auf hin­ge­wie­sen hat­te. Ich las es im Lau­fe von weni­gen Tagen und war davon gänz­lich bezau­bert ;  es fiel mir schwer, das Buch bei­sei­te zu legen, und sei es nur für einen Augen­blick. Ich fin­de, das Tage­buch ist beson­ders für die Ein­woh­ner von Schnei­de­mühl span­nend, weil es ihre Stadt und die Men­schen beschreibt, die damals dort wohn­ten […]. Sie lieb­te innig ihre Hei­mat­stadt und deren Ein­woh­ner, egal ob Deut­sche, Polen oder Juden […]. Und wenn dank Elfrie­de Kuhr das mul­ti­kul­tu­rel­le Erbe von Schnei­de­mühl auf brei­tes Inter­es­se sto­ßen wür­de, wäre es sicher­lich etwas, das sie mit gan­zem Her­zen unter­stüt­zen wür­de […]. Die tap­fe­re Pie­te kann ein sehr gutes Vor­bild für die heu­ti­ge Jugend sein.“