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Samuel Thomas Soemmerring und Georg Forster: Zwei „Seelenbrüder“ vom Unterlauf der Weichsel
Von Rolf Siemon
Der Anatom, Arzt und Naturwissenschaftler Samuel Thomas Soemmerring und der Naturforscher, Weltumsegler, wissenschaftliche Schriftsteller und Revolutionär Georg Forster gehörten zu den berühmtesten Gelehrten ihrer Zeit – sie waren durch eine außerordentlich enge Freundschaft miteinander verbunden.
Beide waren um die Wende 1754 /55 am Unterlauf der Weichsel geboren – Soemmerring in Thorn, Forster in Nassenhuben im Danziger Werder. Sie begegneten sich im Alter von 23 Jahren erstmals in London, lebten und arbeiteten dann gemeinsam in Kassel und später nochmals in enger Nachbarschaft in Mainz. Die vom Geiste der englischen Aufklärung geprägte Universitätsstadt Göttingen spielte für beide eine wichtige Rolle und beeinflusste ihre medizinischen, naturkundlichen bzw. naturhistorischen Forschungen in besonderer Weise : auf Grund der hervorragenden Möglichkeiten für Literaturstudien in der Bibliothek, der praktischen Anschauung dank den Sammlungen des Academischen Museums sowie des Austausches mit den führenden Köpfen der wissenschaftlichen Forschung. Auch das nahegelegene Kassel mit seinen naturhistorischen Sammlungen (Ottoneum / Museum Fridericianum) und dem Anatomischen Theater war für beider berufliche Arbeiten überaus förderlich.
Dass die erst 1736 gestiftete Göttinger Lehrstätte neben Jena und Halle zu den fortschrittlichsten Universitäten in Deutschland gehörte und die beiden anderen Hochschulen schließlich überflügelte, daran hatte ohne Zweifel die Universitätsbibliothek einen wesentlichen Anteil. Deren Entwicklung und Bedeutung ist untrennbar mit dem Namen des Altphilologen Christian Gottlob Heyne (1729–1812) verknüpft, der sie ab 1763 leitete. Der Ruf als hervorragende deutsche Reformuniversität hatte viele Studenten und Gelehrte, darunter auch Johann Wolfgang Goethe, angezogen.
Von Nassenhuben nach Kassel
Georg Forster wurde am 27. November 1754 in der kleinen bäuerlichen Ansiedlung Nassenhuben an der Mottlau im Danziger Werder geboren, auf dem Gebiet des unter polnischer Oberhoheit stehenden Königlichen Preußen, auch „Polnisch-Preußen“ genannt. Von Anbeginn war Georg Forsters Leben eng mit dem seines Vaters Reinhold Forster verbunden, eines Theologen, der 1729 in Dirschau zur Welt gekommen war. Er unterrichtete seinen Sohn selbst und beide erforschten höchst aufmerksam zum einen jagend und zum anderen (nach Linnés neuer Nomenklatur) botanisierend die Natur des Danziger Werders. Unglücklich in seinem Pfarramt, unternahm Reinhold Forster 1765 im Auftrag von Zarin Katharina II. eine natur- und volkskundliche Forschungsreise an die untere Wolga, zu den deutschen Siedlungskolonien, wohin er seinen kaum elfjährigen, erstgeborenen Sohn Georg mitnahm.
Nach einem Aufenthalt in St. Petersburg verließen beide Russland und siedelten 1766 nach London über. Schon auf der Überfahrt war Georg Forster mit der englischen Sprache vertraut geworden. Nach einigen Monaten in Warrington (Yorkshire), wo er an der dortigen renommierten „Dissenters Academy“ studierte, lebten beide mit der inzwischen aus Danzig nachgekommenen Familie wieder in London. Dort entwickelte Georg Forster unter der Anleitung und Aufsicht des Vaters sein Talent als Übersetzer wissenschaftlicher Publikationen, bevorzugt von Reiseliteratur.
Mit der Einladung der Royal Society an Reinhold Forster, James Cook (1728–1779) auf dessen zweiter Reise um die Welt (1772–1775) als Naturkundler und wissenschaftlicher Chronist mitzufahren, änderte sich auch Georg Forsters Leben schlagartig : Der erst Siebzehnjährige durfte den Vater als naturkundlicher Zeichner und Gehilfe begleiten.
Insbesondere in der Südsee erforschten Vater und Sohn ausgiebig die Flora und Fauna sowie die Kultur der fremden Völker und legten zudem umfangreiche ethnographische und naturkundliche Sammlungen an. Nach ihrer Ankunft in London 1775 wurden beide als Wissenschaftler gefeiert und geehrt. Erst recht nach der Herausgabe der (zusammen mit seinem Vater verfassten) Reisebeschreibung im Jahre 1777 war Georg Forsters Name bald in aller Munde. Die philosophischen, philanthropischen und kulturanthropologischen Reflektionen, die geprägt waren durch den aufgeklärten Blick auf fremde Völker und die Kritik an der europäischen Kultur – der gegenüber sogar der Kannibalismus der neuseeländischen Maori verteidigt wurde – erregten Aufsehen in den gelehrten Zirkeln Europas.
Von dem Berliner Verleger Johann Karl Philipp Spener engagiert für die Fortsetzung der deutschen Übersetzung von Buffons „Allgemeiner Naturgeschichte“ sowie auf der Suche nach einer wissenschaftlichen Anstellung für den Vater, reiste Georg Forster 1778 auf den Kontinent. Auf seiner Fahrt erreichte er auch die Residenzstadt Kassel und wurde dort von Landgraf Friedrich II. von Hessen-Kassel zum ordentlichen Professor und Lehrer der Naturkunde am Collegium Carolinum ernannt. Mit Forster konnte der Landgraf seiner Kasseler Lehranstalt einen besonderen Glanz verleihen und ließ sich dabei nicht zuletzt von der Hoffnung leiten, dadurch vermehrt zahlungskräftige Studenten zu gewinnen.
Zunächst aber reiste Forster weiter nach Göttingen. Von der Universität erhielt er am 30. Dezember 1778 den Magistertitel. Er wurde mit zahlreichen Göttinger Gelehrten bekannt, darunter dem Anatom und Anthropologen Johann Friedrich Blumenbach (1752–1840), Johann David Michaelis (1717–1791), einem Theologen und Orientalisten, und dem eingangs bereits genannten Altphilologen Christian Gottlob Heyne – Georg Christoph Lichtenberg (1742–1799), der als Mathematiker und Naturforscher (und erster Experimentalphysiker) wirkte und bis heute vor allem als Begründer des deutschsprachigen Aphorismus in Erinnerung geblieben ist, hatte die Forsters bereits in London besucht.
Von Thorn nach Kassel
Am 28. Januar 1755, nur zwei Monate nach Forsters Geburt, kam Samuel Thomas Soemmerring in Thorn zur Welt. Nach dem Besuch des evangelischen Akademischen Gymnasiums durfte der Sohn des Arztes und Stadtphysikus Johannes Thomas Soemmerring (1701–1781) in Göttingen Medizin studieren.
Soemmerring wollte allerdings nicht – dem Wunsch des Vaters entsprechend – Arzt in Thorn werden, sondern absolvierte ein umfangreiches medizinisches Studium, hörte auch Vorlesungen in benachbarten Fächern wie Botanik und Physik, mit dem Ziel, später an Akademien zu lehren. Der Anatomie des Gehirns und des Nervensystems der Menschen und Tiere galt sein besonderes Interesse. Zu seinen Vorbildern bei seinen theoretischen Studien gehörte der schweizerische, als Naturforscher wie als Schriftsteller bedeutende Universalgelehrte Albrecht von Haller (1708–1777), den Soemmerring ebenso verehrte wie den in Leiden wirkenden Anatom Bernhard Siegfried Albin (1697–1770). Während seines Studiums lernte er bereits viele der namhaften Göttinger Professoren kennen, die Georg Forster erst in späteren Jahren aufsuchte.
Im Winter 1777 / 78 verfasste Soemmerring seine Dissertation, deren Titel, aus dem Lateinischen übersetzt, „Über die Basis des Hirns und den Ursprung der Hirnnerven“ lautete. Die Erläuterungstafeln zeichnete er selbst. Im April 1778 schloss er diese Schrift ab, die sein Ansehen als führender deutscher Neuroanatom begründete und ihn schnell über die Grenzen der deutschen Länder hinaus bekannt werden ließ.
Auf einer ausgedehnten Studienfahrt durch die Niederlande, England und Schottland suchte Soemmerring sodann die medizinisch-anatomischen Koryphäen seiner Zeit auf. Bereits auf der Hinreise lernte er in London die beiden berühmten deutschen Naturforscher Reinhold und Georg Forster kennen, die er – wie viele andere deutsche Englandreisende – in deren Hause aufsuchte. Dabei schlossen Soemmerring und Georg Forster bald eine persönliche Freundschaft. Ein Zeichen für dieses wechselseitige Vertrauen lässt sich darin erkennen, dass Forster den Freund auch in den Kreis der Freimaurer einführte, dem er sich in London angeschlossen hatte.
Als Soemmerring im April 1779 wieder nach Göttingen zurückkehrte, hatte er kein eigenes Auskommen und nahm sich eine Wohnung bei seinem ehemaligen Lehrer Wrisberg. Forster kam jetzt seinerseits häufiger von Kassel nach Göttingen, nutzte die umfangreichen Bibliotheksbestände für seine vielfältigen Arbeiten und pflegte wissenschaftliche und persönliche Kontakte zu Göttinger Professoren – und vor allem zu seinem Freund Soemmerring.
Gemeinsam am Collegium Carolinum
Als am Collegium Carolinum eine Anatomieprofessur neu zu besetzen war, engagierte sich Forster geschickt für Soemmerring : Dieser erhielt am 23. Mai 1779 in Kassel seine erste Anstellung und fand an dem gerade erst errichteten Anatomischen Theater in der Unterneustadt hervorragende Arbeitsbedingungen vor. Die Freundschaft zwischen den beiden wurde nun immer intensiver, zumal sie auch in wissenschaftlicher Hinsicht in enger Wechselbeziehung zueinander standen. Noch weiter gefestigt wurde ihre auch für damalige Zeit der „Empfindsamkeit“ außergewöhnlich vertraute Beziehung durch ihr gemeinsames Engagement im geheimen Kasseler Rosenkreuzer-Zirkel. Während Soemmerring eine Amtswohnung in der Anatomie – und mithin in der Unterneustadt – zugewiesen bekam, lebte Forster zunächst in der Oberneustadt, dem gehobenen Wohnviertel der Residenzstadt. Dann zog er allerdings ebenfalls in die Unterneustadt, um seinem „Seelenbruder“ näher zu sein. Beide betrieben zusammen Osteologie und Paläontologie, Physik und vergleichende Anatomie. Sie kamen sich noch näher als Brüder, nannten sich „Herzensfreund“ und „intimster Freund“ und lebten und arbeiteten gemeinsam in einer unverbrüchlichen Symbiose. Dieser Verbindung setzte Georg Forster im August 1779 ein reizvolles Denkmal, als er Soemmerring in dessen Stammbuch einen Fliegenschnäpper aus der Südsee zeichnete. (Jenes prächtige Stammbuch-Blatt ist innerhalb des Soemmerring-Beitrags von Ulrike Enke in DW 3/2018 abgedruckt zu finden.)
Am 30. September 1783 kam der Naturforscher und Dichter Johann Wolfgang Goethe (1749–1832) in Kassel an und suchte Soemmerring in der Anatomie auf. Zu dieser Zeit war der Anatom gerade mit Ballonversuchen beschäftigt, was auch Goethe zu selbigen in Weimar inspirierte. Hierbei arbeitete Soemmerring natürlich mit Forster zusammen. Beide standen zugleich mit Lichtenberg in Göttingen im Austausch. Auch in Hannover und Darmstadt fanden derartige Versuche statt. Es war ein regelrechter Wettstreit, wo in Deutschland der erste Freiballon aufsteigen würde. Soemmerring experimentierte vorrangig mit organischen Materialien, vor allem Fruchtblasen. Er war bei diesen Experimenten der führende Kopf, dem am 1. November 1783 die Füllung einer präparierten Schweinsblase mit Wasserstoff und deren anschließender Aufstieg gelangen : Am 18. November 1783 ließ Soemmerring in Kassel den ersten Freiballon in Deutschland aufsteigen.
Wiedervereint in Mainz
Als Forster im April 1784 Kassel verließ, um eine Professur für Naturkunde in Wilna anzunehmen, war damit auch die fünfjährige enge Gemeinschaft der beiden Seelenfreunde zunächst beendet. Das Collegium befand sich inzwischen in Auflösung und die meisten Professoren wechselten an die landgräfliche Universität in Marburg. Soemmering verließ im Oktober 1784 ebenfalls Kassel und zog in das katholische Mainz, wo er eine Medizinprofessur übernahm. Gleichwohl blieben die beiden Freunde in regelmäßigem Briefkontakt miteinander. Forster kehrte im Jahre 1785 für eine kurze Zeit nach Göttingen zurück, um dort Therese Heyne (1764–1829) zur Frau zu nehmen. Die Möglichkeit, die von Forster und Christian Gottlob Heyne hochgeschätzte wechselseitige Beziehung dadurch zu vertiefen und zu verstetigen, so dass der väterliche Freund nun auch zum Schwiegervater wurde, scheint bei der Wahl der Braut eine nicht unwesentliche Rolle gespielt zu haben. Soemmerring war bei der Göttinger Hochzeit selbstverständlicher Weise ebenfalls zugegen, als Trauzeuge.
Nach einem weiteren Göttinger Zwischenaufenthalt folgte Georg Forster seinem Freund 1788 an die Universität Mainz. Vor allem durch die Vermittlung des aus der Schweiz stammenden Historikers Johannes Müller (1752–1809), der mit Forster und Soemmerring ebenfalls am Kasseler Collegium Carolinum gelehrt hatte (und auch Mitglied im geheimen Rosenkreuzer-Zirkel war), wurde Forster von Kurfürst und Erzbischof Carl Joseph von Erthal berufen und erhielt eine Stelle als Bibliothekar der Universität. Seine Wohnung nahm er zusammen mit seiner Ehefrau und der in Wilna geborenen Tochter Therese im Nachbarhaus von Soemmerring.
1790 unternahm Forster mit dem jungen und noch unbekannten Naturforscher Alexander von Humboldt (1769–1859) seine späterhin berühmte Reise entlang des Rheins nach England und Frankreich und begründete mit seinen darauf fußenden „Ansichten vom Niederrhein“ eine neue, künstlerisch anspruchsvolle Art der Reisebeschreibung. In dieser Schrift wurde zugleich sein Übergang vom bürgerlich-humanistischen Aufklärer zum revolutionären Demokraten erkennbar. Nicht nur Goethe reagierte auf dieses Werk positiv und schrieb an Forster im Juni 1792 : „Man mag, wenn man geendigt hat, gern wieder von vorne anfangen und wünscht sich mit einem so guten, so unterrichteten Beobachter zu reisen.“ Freilich erkannte Goethe auch Forsters Nähe zu revolutionären Positionen, denen er seinerseits keineswegs uneingeschränkt zustimmen konnte.
Wie unterschiedlich, wenn nicht gegensätzlich die politischen Sichtweisen von Forster und Goethe waren, trat deutlich zutage, als Goethe mit Herzog Karl August von Sachsen-Weimar-Eisenach am Rheinfeldzug gegen das revolutionäre französische Heer teilnahm und auf dem Weg ins Feldlager auch Mainz aufsuchte, wo er die zwei Tage und Abende des 21. und 22. August im Hause der Familie Forster verbrachte. Zu der Gesellschaft, die sich dort traf, gehörten der Schriftsteller Ludwig Ferdinand Huber (1764–1804) und Caroline Böhmer (1763–1809), die Tochter des bereits genannten Göttinger Orientalisten Johann David Michaelis, die neben Therese Forster als eine der geistvollsten Frauen im Deutschland der damaligen Zeit gelten darf : Nach dem frühen Tode ihres Mannes war sie zunächst mit August Wilhelm Schlegel und, von ihm wieder geschieden, schließlich mit Friedrich Schelling verheiratet. Und nicht zuletzt gehörte zu diesem Kreis natürlich auch Samuel Thomas Soemmerring. Goethe schrieb später über die angenehme Atmosphäre seines Besuchs in Mainz :
Sodann verbracht’ ich mit Sömmerrings, Huber, Forsters und andern Freunden zwei muntere Abende : hier fühlt’ ich mich schon wieder in vaterländischer Luft. Meist schon frühere Bekannte, Studien-Genossen, in dem benachbarten Frankfurt zu Hause [Soemmerings Gattin war eine Frankfurterin] […]. Die Freiheit eines wohlwollenden Scherzes auf dem Boden der Wissenschaft und Einsicht verlieh die heiterste Stimmung.
Danach aber fährt er bezeichnenderweise fort :
Von politischen Dingen war die Rede nicht, man fühlte, daß man sich wechselseitig zu schonen habe : denn wenn sie republicanische Gesinnungen nicht ganz verleugneten, so eilte ich offenbar mit einer Armee zu ziehen, die eben diesen Gesinnungen und ihrer Wirkung ein entschiedenes Ende machen sollte.
Nach der Besetzung von Mainz durch französische Truppen am 21. Oktober 1792 wurde Forster zu einem der führenden Köpfe der Revolution, avancierte Anfang 1793 zum Präsidenten des Mainzer Jakobiner-Klubs und am 17. März sogar zum Vizepräsidenten des Rheinisch-Deutschen Nationalkonvents, in dessen Auftrag er sich kurze Zeit später auf den Weg nach Paris machte. Diese entschiedenen politischen Aktivitäten führten allerdings zum Bruch der Freundschaft mit Soemmerring, der sich (durchaus republikanisch gesinnt) nach außen politisch neutral verhielt, Mainz verließ und sich nach Frankfurt, dem Wohnort seiner Schwiegereltern, zurückzog.
Epilog
Nachdem Mainz sich den Truppen der anti-französischen Koalition hatte ergeben müssen, blieb Forster, unter der Reichsacht stehend, als politischer Flüchtling in Paris. Er stand in engem Briefkontakt mit seiner auf Scheidung drängenden Frau, den beiden Töchtern sowie Huber, die inzwischen gemeinsam in der Schweiz lebten. Der immer mehr kränkelnde Forster, dessen Gesundheitszustand insbesondere unter den Entbehrungen während der Teilnahme an der Cook’schen Weltumsegelung sehr gelitten hatte, zog sich vermutlich eine Lungenentzündung zu und starb am 10. Januar 1794 in Paris in der Rue des Moulins. Goethe, der sicherlich kein Anhänger der Französischen Revolution war, nahm gleichwohl das Tragische dieses frühen Todes wahr und schrieb in einem Brief an Soemmerring : „So hat der arme Forster denn doch auch seine Irrthümer mit dem Leben büßen müssen ! wenn er schon einem gewaltsamen Tode entging ! Ich habe ihn herzlich bedauert.“ Soemmerring seinerseits war vom Tode des früheren Herzensfreundes tief getroffen. Inzwischen hatte er längst Mitleid für ihn empfinden können, weil er in Forsters Eheproblemen eine wesentliche Ursache für dessen radikale Handlungsweisen vermutete und für diese missliche Situation Therese Forster verantwortlich machte. Ihre Liebesbeziehung zu dem vormaligen Hausfreund Huber war Georg Forster bekannt gewesen, und er hatte sie in Mainz zumindest geduldet (wahrscheinlich war Huber auch der Vater von zwei in Mainz geborenen und früh verstorbenen Kindern). Auch Soemmerring erkannte diese „Ménage-à-trois“, weshalb er zu Therese Forster zunehmend auf Distanz gegangen war. Dabei ist ergänzend anzumerken, dass für Soemmerring der Umgang mit sehr selbstbewussten und gebildeten Frauen auch sonst schon immer problematisch war.
Nachdem der Bruch in der Beziehung nun nachträglich für Soemmerring durch Außeneinflüsse erklärt und deutlich abgemildert werden konnte, kümmerte er sich sehr selbstbewusst und engagiert um Forsters Nachlass in Mainz und verteidigte ihn entschieden gegen Ansprüche, die vor allem der Vater, Reinhold Forster, jetzt erhob. Soemmerring wandte viel Zeit und Kraft dafür auf, die Bibliothek des Freundes zu ordnen und öffentlich versteigern zu lassen. Den Verkaufsertrag der Bücher ließ er Forsters beiden Töchtern – Therese und Clara – zukommen.
Nie wieder sollte Soemmerring in seinem späteren, bis zum 2. März 1830 währenden Leben einen Freund finden, der seiner Seele ähnlich nahe gekommen wäre wie Georg Forster. So geht er noch 1828 – in seinem letzten Brief an Goethe vom 1. Mai dieses Jahres – auf ihn ein :
Ihre mich hochbeehrenden Jubel Geschenke, hätte wahrlich nichts herzerhebenderes als die Benennung Erprobter Freund in goldenen Lettern begleiten können. Ermunterndst blieben mir stets die unvergesslichen Äußerungen an Georg Forster, dass ich Ihnen ein Treuer Freund schiene.
Goethe hatte Soemmerring zu dessen 50-jährigem Doktorjubiläum beglückwünscht sowie ihm vier Silbermedaillen in einem eleganten Etui mit einer Inschrift in Goldgravur geschenkt. Diese Widmung lautete : „Seinem erprobten Freunde und Studien-Genossen Sömmerring […] in treuer Anhänglichkeit Goethe“. Daraufhin dankte Soemmerring mit den zitierten Worten.