Die Einweihung der ersten Ostbahn-​​Strecke 
Ende Juli 1851

Im Okto­ber 2017 gibt es gleich zwei bedeu­ten­de Anläs­se, an den Bau der Preu­ßi­schen Ost­bahn zu erinnern:

  • Am 12. Okto­ber 1857 wur­den die Weichsel-​​Brücke bei Dir­schau und die Nogat-​​Brücke bei Mari­en­burg eröff­net. Damit war die bis­lang noch zwi­schen Dir­schau und Mari­en­burg bestehen­de Lücke in der Stre­cken­füh­rung geschlos­sen. Da an die­sem Tage auch noch Teil­stre­cken von Frank­furt (Oder) nach Küs­trin bzw. von Küs­trin nach Kreuz dem Ver­kehr über­ge­ben wur­den, waren von die­sem Tage an Ber­lin und Königs­berg über das Eisen­bahn­netz mit­ein­an­der verbunden.

  • Streng genom­men muss­ten die Züge von Ber­lin aus aller­dings noch einen gewis­sen Umweg über die Stre­cken­füh­rung der Niederschlesisch-​​Märkischen Eisen­bahn in Kauf neh­men. Das hier noch feh­len­de Glied – die Ver­bin­dung von Kös­trin über Gusow hin­aus bis nach Ber­lin – wur­de zehn Jah­re spä­ter ein­ge­fügt und am 1. Okto­ber 1867 in Betrieb genom­men. Nun war die Ost­bahn tat­säch­lich von Ber­lin aus durch­ge­hend befahrbar.

Solch ein dop­pel­ter Zeit­schnitt könn­te Anlass geben, die Geschich­te der Pla­nung und des Baus der Ost­bahn ein wei­te­res Mal zu schil­dern. Die Redak­ti­on möch­te aber ­einen ande­ren Weg ein­schla­gen :  Andre­as Koer­ner, Uren­kel des berühm­ten Thor­ner Bür­ger­meis­ter Theo­dor Edu­ard Koer­ner, hat uns dan­kens­wer­ter­wei­se einen Brief zur Ver­fü­gung gestellt, in dem der Bür­ger­meis­ter sei­ner Frau im Som­mer 1851 berich­tet, dass er nach Brom­berg gereist sei, um dort der fei­er­li­chen Eröff­nung der bereits im Juli fer­tig­ge­stell­ten Ostbahn-​​Strecke bei­zu­woh­nen. Der preu­ßi­sche König Fried­rich Wil­helm IV. reis­te mit die­sem ers­ten Zug, und es war fest damit zu rech­nen, dass nach der Ankunft Hono­ra­tio­ren wie Koer­ner dem König vor­ge­stellt wür­den. Dazu ist es dann aber doch nicht gekom­men :  „Damit“, for­mu­liert der Brief­schrei­ber, „war die Sache zu Ende, und die gro­ße Mühe und Vor­be­rei­tung vie­ler, – mei­ner Rei­se nicht zu geden­ken, – eigent­lich ohne Zweck“.

Die­ses Doku­ment ist frei­lich nicht nur als Zeug­nis einer per­sön­li­chen Ent­täu­schung auf­schluss­reich, son­dern gibt einen authen­ti­schen Ein­druck von der Bedeu­tung, die dem Pro­jekt der Preu­ßi­schen Ost­bahn von allen Sei­ten zuge­mes­sen wur­de. Der König hat­te schon im Jah­re 1838 nach sei­ner Teil­nah­me an der ers­ten Eisen­bahn­fahrt in Preu­ßen, von Ber­lin nach Pots­dam, aus­ge­ru­fen: „Die­sen Kar­ren, der durch die Welt rollt, hält kein Men­schen­arm mehr auf.“ Und die meis­ten Zweif­ler, die die­ses Vor­ha­ben aus ver­schie­de­nen Grün­den für zu ris­kant, wenn nicht wirt­schaft­lich für töricht hiel­ten, hat­ten sich mitt­ler­wei­le eines Bes­se­ren beleh­ren lassen.

Wel­che tief­grei­fen­de, die gesam­te Gesell­schaft erfas­sen­de Auf­bruchs­stim­mung durch den Eisen­bahn­bau aus­ge­löst wor­den war und wel­che Fes­ti­gung sei­ner Herr­schaft und Gel­tung König Fried­rich Wil­helm IV. durch sein per­sön­li­ches Enga­ge­ment für die­ses Pro­jekt erlang­te, kann die fol­gen­de Pas­sa­ge aus einem umfang­rei­chen Bericht bele­gen, den Reg.-Rat Dr. K. Born unter dem Titel Die Ent­wick­lung der König­lich Preu­ßi­schen Ost­bahn 1911 im Archiv für Eisen­bahn­we­sen ver­öf­fent­licht hat. In die­sem Abschnitt schil­dert er die Fahrt des Son­der­zu­ges von Kreuz bis Brom­berg und bie­tet damit die Gegen­per­spek­ti­ve zu der Sicht­wei­se des Bür­ger­meis­ters, der von Thorn nach Brom­berg fährt, um am Bahn­hof sei­nem König begeg­nen zu können.

Vor der Ehren­pfor­te waren pyra­mi­den­ar­tig Gerä­te über­ein­an­der geschich­tet, auf der einen Sei­te für die Erd­ar­bei­ten z. B. Schub­kar­ren, auf der ande­ren Sei­te für den Betrieb z. B. Hebe­bäu­me zum Dre­hen der Loko­mo­ti­ven. Arbei­ter bil­de­ten Spa­lier mit ihrem bekränz­ten Werkzeug.

Der Han­dels­mi­nis­ter hielt die ers­te, [Aga­thon] Wer­nich die zwei­te Bewillkommnungs- und Dan­kes­re­de an den König. Bald danach wur­de die Rei­se nach Brom­berg fort­ge­setzt. Auf sämt­li­chen Sta­tio­nen, Fileh­ne, Schönlan­ke, Schnei­de­mühl, Mias­tecz­ko (Fried­heim), Bia­los­li­wie (Wei­ßen­hö­he), Osiek (Neth­thal), Nakel waren die Gebäu­de geschmückt, Tau­sen­de von Men­schen hat­ten sich dort auf den Fel­dern und selbst in den Wäl­dern an den Bahn­glei­sen ein­ge­fun­den, um das dahin­ei­len­de segen­brin­gen­de Dampfroß mit freu­di­gen Hur­ras zu begrü­ßen. Es war ein Fest­tag für alle von der Bahn durch­schnit­te­nen Gebietsteile.

In Brom­berg traf der König um 4 Uhr in Beglei­tung des Han­dels­mi­nis­ters von der Heydt, des Ober­prä­si­den­ten von Putt­kam­mer, der Mit­glie­der der Direk­ti­on, des Erz­bi­schofs von Gne­sen und zahl­rei­cher sons­ti­ger Ein­ge­la­de­nen ein. Er begrüß­te die auf dem Bahn­hof erschie­ne­nen Spit­zen der Behör­den und ließ sich von dem Land­rat Fern­ow aus Inow­roz­law eini­ge Kuja­wi­er und Kuja­wie­rin­nen in ihrer Lan­des­tracht vor­stel­len. Bei der Fest­ta­fel im Regie­rungs­prä­si­di­al­ge­bäu­de hielt er eine Anspra­che, in der er sei­ne Freu­de aus­drück­te, daß er und die Gäs­te die Voll­endung der Ost­bahn soweit erlebt hät­ten, und den Wunsch aus­sprach, daß der Him­mel das Werk zu einem Segen für das Land wer­den lasse.

Um 7 Uhr (abends) ver­ließ der König Brom­berg und begab sich nach Schwetz, um dem­nächst nach Königs­berg i. Pr. zu rei­sen. Er hat­te für das den Königs­zug fah­ren­de Per­so­nal 25 Duka­ten über­rei­chen las­sen, die der Loko­mo­tiv­füh­rer, der Hei­zer, der Zug­füh­rer, Pack­meis­ter, die drei Schaff­ner und zwei Schmie­rer erhielten.

Die Schil­de­rung von Theo­dor Edu­ard Koer­ners Fahrt und dem Gesche­hen auf dem Brom­ber­ger Bahn­hof, der zu die­ser Zeit „in den Schie­nen, aber noch lan­ge nicht in den Gebäu­den fer­tig“ gewe­sen ist, nimmt einen erheb­li­chen Teil des Brie­fes ein, den er am 31. Juli ver­fasst hat. Damit sich die Lese­rin­nen und Leser einen eige­nen Ein­druck von Koer­ners Schrift und dem Erschei­nungs­bild des Tex­tes machen kön­nen, wer­den die­se Dar­le­gun­gen zunächst im Ori­gi­nal wie­der­ge­ge­ben. (Die­se Text-​​Partie ist inner­halb der anschlie­ßen­den Tran­skrip­ti­on farb­lich hervorgehoben.)

Die fol­gen­de Wie­der­ga­be des Brie­fes in einer leich­ter les­ba­ren Form beschränkt sich nicht allein auf den eisen­bahn­ge­schicht­lich inter­es­san­ten Teil, son­dern bie­tet das Doku­ment als Gan­zes. Zum einen han­delt es sich um eine his­to­risch wert­vol­le Quel­le, die sowie­so nicht frag­men­tiert ver­öf­fent­licht wer­den soll­te; zum andern gibt die­ses Schrei­ben wert­vol­le Ein­bli­cke in die sozia­len und pri­va­ten Lebens­um­stän­de eines west­preu­ßi­schen Amts­trä­gers um die Mit­te des 19. Jahr­hun­derts. Dabei sei nicht nur auf Koer­ners Betei­li­gung am Königs­schie­ßen hin­ge­wie­sen, son­dern auch auf die aus­führ­li­che Schil­de­rung der tota­len Son­nen­fins­ter­nis, die sich am 28. Juli 1851, nur drei Tage vor dem Ver­fas­sen des Brie­fes, ereig­ne­te und die Koer­ner offen­bar sehr inten­siv ver­folgt hat. (An die­sem Tage gelang es übri­gens auf der Stern­war­te in Königs­berg erst­mals, mit Hil­fe der Daguerreotypie-​​Technik ein Him­mels­er­eig­nis foto­gra­fisch festzuhalten.)

Inner­halb der Tran­skrip­ti­on wird an meh­re­ren Stel­len die „Crux despe­ra­tio­nis“ – [†] – ein­ge­setzt. Sie kenn­zeich­net Wör­ter, die trotz aller Bemü­hun­gen nicht ent­zif­fert wer­den kön­nen. Ergänzt wird der Abdruck der tran­skri­bier­ten Quel­le schließ­lich noch um „Kom­men­tie­ren­de Hin­wei­se zum Brief vom 31. Juli 1851 und des­sen Autor“, die in die Quel­len­la­ge ein­füh­ren und über die Fami­lie und Koer­ners Wir­ken in Thorn bis zur Mit­te des 19. Jahr­hun­derts Aus­kunft geben. 

DW

Thorn, d 31. 7. 51

Mei­ne herz­lie­be Emmy,

Eben war ich von Mle­wiec [Hof leben] am Diens­tag früh zurück­ge­kehrt, als ich Dei­ne lie­ben Zei­len v 26ten erhielt, aus denen ich mit Freu­de Eure glück­li­che Rei­se und Ankunft daselbst erse­he. Auch mei­ne bei­den Rei­sen nach Brom­berg u. M. sind glück­lich von Stat­ten gekom­men. Ers­te­re war beson­ders auf der Hin­rei­se sehr fidel, und Fr. Knoll ließ es an [†] nicht feh­len. Auch das Wet­ter, u die Lage der Chaus­see, die sich gro­ßent­heils am Ran­de der Weich­sel hin­zieht, und über­ra­schend hüb­sche Aus­sich­ten gewährt, unter­stütz­te das Ver­gnü­gen, – beson­ders bei dem Gedan­ken, wel­chen erbärm­li­chen Weg man frü­her hat­te zurück­le­gen müs­sen. Wir fuh­ren um 4 1/​​2 Uhr ab und waren um 9 1/​​2 Uhr in Brom­berg nach­dem wir noch in Schu­litz Abend­brod genos­sen hat­ten. Mit Mühe fan­den wir in Br. Quar­tier ;  denn vie­les war besetzt, u. Krau­se im Moritz’schen Gast­ho­fe hat­te nur auch [†]. Auch in der Nacht war viel von Schla­fen nicht die Rede. Um 4 Uhr stan­den wir auf u gin­gen zum Bahn­hof, der in den Schie­nen, aber noch lan­ge nicht in den Gebäu­den fer­tig ist. Die Linie nach Thorn ist schon aus­ge­steckt. – Nach dem ich mich ange­mel­det, u erfah­ren, daß wir alle um 3 1/​​2 Uhr auf dem Per­ron ver­sam­meln soll­ten, auch vie­le mei­ner alten Bekann­ten besucht – fuhr ich zur gedach­ten Zeit zum Bahn­ho­fe, der wohl 1 000 Schritt von der Stadt u mehr ent­fernt liegt. Die Eisen­bahn­ar­bei­ter, mit Krän­zen von Eichen­laub an den Spa­ten bil­de­ten das Spa­lier für die Depu­ta­tio­nen wel­che sich von allen Stän­den mit den Schüt­zen­gil­den ein­fan­den. Der König wur­de erst um 4 1/​​2 Uhr erwar­tet, es war aber noch nicht 3/​​4 auf 4. als der Zug signa­li­siert wur­de, u gleich dar­auf auch anlang­te. Das Unvor­be­rei­te­te u. Über­ra­schen­de war es, daß die gro­ße Men­schen­mas­se ohne wei­te­res das Spa­lier der Arbei­ter durch­brach und sich mit den Beam­ten und Depu­ta­tio­nen ver­misch­te. Dadurch war jede Vor­stel­lung im Ein­zel­nen unmög­lich gewor­den. Der König ging am Ran­de des Per­rons die Rei­he ent­lang, war sehr freund­lich, sprach mit die­sem oder jenem, ging dann die Para­de vom Mili­tär, das auf der ande­ren Sei­te auf­ge­stellt war, abneh­men, und fuhr dem­nächst zum Prä­si­di­al­ge­bäu­de. Damit war die Sache zu Ende, und die gro­ße Mühe und Vor­be­rei­tung vie­ler, – mei­ner Rei­se nicht zu geden­ken, – eigent­lich ohne Zweck. Die hüb­sches­te Sache war noch die, wie 6 Kupi­nia­ken [Kauf leu­te, Krä­mer] mit ihren Frau­en dem Köni­ge, als er in ihre Nähe kam, ihm ent­ge­gen gin­gen, eine padam do nóg [Fuß­fall] mach­ten, und ihm ihre fri­schen Blu­men­krän­ze mit Aeh­ren zu Füßen leg­ten, was den König unge­mein zu freu­en schien, und einen in die­ser unschul­di­gen und zwang­lo­sen Form rüh­ren­den Anblick gewähr­te. Sehr gefreut habe ich mich noch über mei­ne län­ge­re Zusam­men­kunft mit Wilh. Pro­we, Bru­der der Wen­disch – der vom Lan­de auch nach Brom­berg gekom­men war, mit Frau u. Kin­dern. Wir nah­men beim Gläs­chen Spritz­was­ser Abschied, – um 4 Uhr Sonn­tag früh war ich wie­der hier, – um nach­mit­tags mit Gus­tav [Gus­tav Adolf, einem fünf Jah­re älte­ren Bru­der des Autors] nach Ml. [Mle­wiec, dem Gut des drei­zehn­ein­halb Jah­re älte­ren Bru­ders Gott­lieb Franz] zu fah­ren, obgleich mir noch ganz [†] war. – Gott­lieb u Dor­chen [des­sen Frau] mit den Kin­dern fan­den wir ganz mun­ter, – wenn auch der Wind sich nicht wesent­lich bes­sert. Am Mon­tag wur­de auf der Gun­ke eine förm­li­che Stern­war­te mit Tubus, Baro­me­ter, Pen­del, Ther­mo­me­ter, Com­pas u was sonst auf­zu­trei­ben, auf­ge­stellt ;  anfangs war es bewölkt, dann lich­te­te es sich zur rech­ten Stun­de auf, und wir genos­sen ein Himmels-​​Schauspiel, wie ich es noch nie gese­hen. Denn die loka­le Fins­ter­nis dau­er­te 56 Sekun­den, und der Mond erschien mit einer herr­li­chen Strah­len­kro­ne in dunk­ler Nacht, wo die Ster­ne am Him­mel glänz­ten. Schwei­ne u Schaa­fe lie­fen nach Hau­se, Hüh­ner u Enten in die Stäl­le, der Storch brei­te­te ängst­lich die Flü­gel über das Nest aus. – Es war ein unge­mein schö­ner Anblick, denn die gan­ze dunk­le Him­mels­fär­bung war eine ganz ande­re. Alle Beob­ach­tun­gen wur­den zu Papier gebracht, und haben bereits ihren Weg an Busch in Königs­berg genom­men. Dor­chen und Gott­lieb las­sen herz­lich grü­ßen, Min­chen [eine Schwes­ter des ­Autors] ist mit dem zurück­keh­ren­den Wagen hin­ge­fah­ren. – Ich bin bis jetzt aus einem gewis­sen Trou­ble noch nicht her­aus­ge­kom­men, denn seit ges­tern währt das Königs­schie­ßen, was mor­gen schließt. Mei­ne Ehre und Aus­sicht auf den Königs­schuß habe ich schon ver­schos­sen, dage­gen kann ich noch dazu kom­men, da ich das Loos für Col­legen Oloff [einen Thor­ner Stadt­rat] zu schie­ßen, gezo­gen habe. – Sehr schön soll sich die Son­nen­fins­ter­nis im botan. Gar­ten, der ganz voll Besu­chern gewe­sen gemacht haben, wenn sie auch nicht ganz total war. Ich habe drei hüb­sche Töpf­chen gewon­nen ;  eine Jus­ti­tia. – Der Com­man­dant ist ges­tern nach Königs­berg zur Ent­hül­lungs­fei­er gefah­ren. Cra­mer ladet mich wie­der­holt ein hin­zu­kom­men. – In Star­gard soll ein Syn­di­kus der Stadt, in Ver­tre­tung des Bür­ger­meis­ters an der Spit­ze einer Depu­ta­ti­on dem Köni­ge eine so hit­zi­ge demo­kra­ti­sche Anre­de gehal­ten haben, daß der König ganz blas gewor­den, u sei­ne Adju­tan­ten den Red­ner ohne ihn zu Ende spre­chen zu las­sen, auf die Sei­te brachten. –

Ich wer­de so ziem­lich alles geschrie­ben haben, und kom­me noch zur Erwi­de­rung der Grü­ße von Müt­ter­chen und Jet­t­chen [der Mut­ter und einer Schwes­ter von Emmy], und zur Ver­si­che­rung, wie sehr ich mich freue, Sie alle wie­der­zu­se­hen, beim bes­ten Wohl­sein wie­der­zu­fin­den. Dem Brie­fe aus Salz­brunn füge ich auch noch den von [†]bei, da dir dar­in ein Gruß abge­stat­tet wird.

Sei recht fröh­lich, gesund u mun­ter und den­ke so oft mei­ner wie ich Deiner

Dein Theo­dor.

Sie schie­ßen u bla­sen schon, – ich muß wie­der hin – um abends spät zurück­zu­kom­men – Johann ist sehr aufmerksam

Tran­skrip­ti­on des Tex­tes: Andre­as Koerner


Kommentierende Hinweise zum Brief vom 31. Juli 1851 und zu dessen Autor

Der Brief hat sich wie vie­le wei­te­re Brie­fe, die Theo­dor Edu­ard Koer­ner (1810–1891) und sei­ne Frau Emi­lie, gebo­re­ne Meiß­ner (1815–1861), mit­ein­an­der wech­sel­ten, in bes­tem Zustand erhal­ten. Die Korres­pondenz befin­det sich mit ande­ren pri­va­ten Unter­la­gen im Staat­li­chen Archiv in Thorn und wird dort unter dem Stich­wort „Akta Koer­ne­row“ auf­be­wahrt. Wie die Mate­ria­li­en dort­hin gekom­men sind, ist im Find­buch nicht mitgeteilt.

Den vor­lie­gen­den Brief hat Koer­ner zu einem Zeit­punkt an Emi­lie geschrie­ben, an dem sie in Zgierz bei Lodz weil­te. Ihr Vater hat­te sein klei­nes Tex­til­un­ter­neh­men von Mese­ritz dort­hin ver­legt, weil die hohen Zöl­le an der Gren­ze zum Rus­si­schen Reich dem Tex­til­stand­ort Mese­ritz ein Ende berei­te­ten. In Zgierz hat­ten Theo­dor Edu­ard und Emi­lie auch am 5. Febru­ar 1848 gehei­ra­tet. In dem Brief wird zudem Emi­lies Schwes­ter Hen­ri­et­te – „Jet­t­chen“ – erwähnt. Ihr Mann war der War­schau­er Apo­the­ker Fer­di­nand Wer­ner, ein Ver­wand­ter von Chris­ti­an Wil­helm Wer­ner, der in Zgierz eine für die Tex­til­in­dus­trie Polens äußerst wich­ti­ge Schön­fär­be­rei gegrün­det hat­te. (Sei­ne Toch­ter Anna hei­ra­te­te den Lod­zer Textil-​​­Pionier Karl Scheibler.)

Theo­dor Edu­ard Koer­ner war 1842 zum Bür­ger­meis­ter von Thorn gewählt wor­den. (In den Jah­ren 1848, 1854 und 1866 stell­te er sich jeweils erfolg­reich zur Wie­der­wahl.) Spä­ter zog er auch als Abge­ord­ne­ter in den preu­ßi­schen Land­tag ein und muss­te daher öfters nach Ber­lin rei­sen. Brie­fe aus Ber­lin an Emi­lie haben sich aus den Jah­ren 1847, 1850 und 1854 erhalten.

Auch wenn Theo­dor Edu­ard Koer­ner 1851 in amt­li­cher Funk­ti­on als Bür­ger­meis­ter von Thorn nach Brom­berg gereist war, bot ihm die­se Fahrt doch zugleich auch eine Wie­der­be­geg­nung mit Bekann­ten und Ver­wand­ten, denn er war nach sei­nem Jura­studium bis 1842 als Asses­sor am Brom­ber­ger Ober­lan­des­ge­richt beschäf­tigt gewe­sen. Mit sei­nem Fach­wis­sen als Jurist brach­te er gute Vor­aus­set­zun­gen mit, um das Amt eines Bür­ger­meis­ters beklei­den zu kön­nen ;  denn die Ent­wick­lung ging damals von einem Bür­ger­meis­ter, der aus dem Kreis der Hono­ra­tio­ren stamm­te und sei­ne Auf­ga­ben qua­si ehren­amt­lich erle­dig­te, zum juris­tisch geschul­ten und professio­nell bezahl­ten Amts­in­ha­ber – von der poli­zei­li­chen Ord­nungs­ver­wal­tung zur Leis­tungs­ver­wal­tung – über. Mit­hin muss­te die heu­te so selbst­ver­ständ­li­che Infra­struk­tur damals erst noch geschaf­fen wer­den. Neben dem umfas­sen­den, staats­politisch hoch auf­ge­la­de­nen Pro­jekt der Ost­bahn waren gera­de auch auf kom­mu­na­ler Ebe­ne – von der Ein­rich­tung einer Gas­be­leuch­tung bis zum Bau von Schu­len – etli­che Pro­jek­te zu ent­wi­ckeln und zu rea­li­sie­ren. Die­sen viel­fäl­ti­gen Auf­ga­ben ist Koer­ner wäh­rend sei­ner lan­gen Amts­zeit in hohem Maße gerecht geworden.

Über­dies initi­ier­te er nach sei­ner Wahl 1842 einen Ver­schö­ne­rungs­ver­ein, wur­de 1844 ers­ter Vor­sit­zen­der der Kleinkinder-​​Bewahranstalt, grün­de­te im glei­chen Jahr den Zweig­ver­ein der Gustav-​​Adolf-​​Stiftung und reg­te 1845 die Schaf­fung All­ge­mei­ner Gesellen-​​Krankenkassen an ;  1848 schließ­lich för­der­te er nach­drück­lich die Ent­ste­hung eines patrio­ti­schen Ver­eins für kon­sti­tu­tio­nel­les Preu­ßen­tum, der sich spä­ter in einen Preu­ßen­ver­ein verwandelte.

Bemer­kens­wert ist dar­über hin­aus sein Ein­satz für die Erhal­tung his­to­risch wert­vol­ler Bau­ten. So ver­öf­fent­li­che er – zum Woh­le der Kleinkinder-​​Bewahranstalt – 1847 einen Füh­rer durch Thorn, ent­hal­tend eine historisch-​​politische Über­sicht und ein voll­stän­di­ges alpha­be­ti­sches Ver­zeich­nis von allem was zur Kennt­nis der Stadt und ihrer Denk­wür­dig­kei­ten gehört. 1879 ließ er auch noch die Mono­gra­phie Thorn, sei­ne ehe­ma­li­ge Bedeut­sam­keit und sei­ne alten Bau­denk­mä­ler folgen.

Zwei Jah­re nach der denk­wür­di­gen ers­ten Eisen­bahn­fahrt nach Brom­berg wur­de in Thorn übri­gens das Kopernikus-​​Denkmal ent­hüllt. Auch hier­zu hat­te Koer­ner viel bei­getra­gen und dafür gesorgt, dass die lang­wie­ri­gen Vor­be­rei­tun­gen end­lich einen sehens­wer­ten Abschluss fanden.

Andre­as Koerner