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Westpreußen-Kalender 2018

Titelblatt: Torbogen innerhalb des Kaiserlichen Guts Cadinen (Foto: Thomas Hölscher)
Bildauswahl und Texte: Erik Fischer
Übersetzung ins Polnische: Joanna Szkolnicka
Grafik: Mediengestaltung Kohlhaas

DER WESTPREUSSEN-KALENDER 2018
»Westpreußen« weckt sehr unterschiedliche historische Assoziationen – an die preußische Provinz, die Friedrich II. 1772 bei der Ersten Teilung Polens erwarb und der er ein Jahr später diesen Namen gab, oder an das Kerngebiet des Territoriums, das im Mittelalter vom Deutschen Orden beherrscht wurde, aber auch an das »Königliche Preußen« (»Prusy Królewskie«), das für mehr als 300 Jahre mit der Polnischen Krone verbunden war.
Zugleich erinnert »Westpreußen« an die einschneidenden Veränderungen, die das Deutsche Reich nach dem Ende des Ersten Weltkrieges hinnehmen musste, aber auch an den »Reichsgau Danzig-Westpreußen«, der die Region von 1939 bis 1945 nochmals zu einer Verwaltungseinheit zusammenzwang.
In der Gegenwart ist »Westpreußen« vor allem eine Erinnerungslandschaft für Menschen, die aus dieser Region stammen und für deren Familien dieses Land oft jahrhundertelang Heimat war, und zugleich ist es eine historische Kategorie, die den heutigen Bewohnern bei ihrer Beschäftigung mit dem kulturellen Erbe und der gemeinsamen deutsch-polnischen Geschichte einen wichtigen Orientierungsraum eröffnet.

Die Klotzow-Brücke über den Stadtsee in Deutsch Krone
In Ostdeutschland waren die Winter stets strenger und länger als im Westen des Landes. Wenn Ostern im Jahreskalender verhältnismäßig früh lag, konnte es geschehen – wie frühere Bewohner berichteten –, dass sich von der Klotzow-Brücke aus besonders eindrucksvoll beobachten ließ, wie große Eisschollen auf dem Radaunensee barsten, während von den Kirchen der Stadt Deutsch Krone bereits das Festtagsgeläut herüberschallte.
An der schmalsten Stelle des Radaunen- bzw. Stadtsees war im Winter 1890/91 eine hölzerne Fußgängerbrücke erbaut worden. Sie verband seitdem den Buchwald mit dem gegenüberliegenden Waldgebiet, dem »Klotzow«, der dadurch an das städtische Naherholungsgebiet mit seinen Spazierwegen sowie einem Gartenlokal und einem Musikpavillon angeschlossen wurde. Der Reiz dieser Landschaft inspirierte Hermann Löns zu einem Bekenntnis, das er 1891 in den letzten Versen seines Gedichts Am Radaunensee im Klotzow abgelegt hat : »Für einen Abend am Radaunensee / Gäb’ ich den Rhein mit seinen goldnen Wogen.«
Als späterhin – wenngleich nur für kürzere Zeit – auch noch zwei kleine Ausflugsdampfer von der Stadt aus den Buchwald anfahren sollten, erwies sich das Bauwerk als zu niedrig ; deshalb wurde 1910 in der Brückenmitte eine gestufte Erhöhung angebracht, die dem Ganzen eine originelle und unverwechselbare Form verlieh. Sie verschwand erst 1978, als die heutige, aus Stahl errichtete Überquerung die alte hölzerne Konstruktion ersetzte.

Blick über die Nogat auf die Marienburg,
die St. Johannes-Kirche und die Lateinschule
In der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts begann der Deutsche Orden an der Nogat, einem Mündungsarm der Weichsel, mit dem Bau einer Burganlage. Diese »Marienburg« entwickelte er, nachdem der Hochmeister 1309 seinen Sitz von Venedig dorthin verlegt hatte, zum Macht- und Verwaltungszentrum seines Herrschaftsgebietes und baute sie prachtvoll zur größten Landburg in Europa aus. Dieses Motiv in einen Westpreußen-Kalender nicht aufzunehmen, würden viele wohl für kaum verzeihlich halten, gilt doch die Marienburg geradezu als Inbegriff für die Geschichte und Kultur des unteren Weichsellandes.
Dieser Erwartung zu genügen, setzt freilich nicht voraus, dass auch die allseits bekannte Postkartenansicht geboten wird, die den Gebäudekomplex vom unmittelbar gegenüberliegenden Flussufer aus zeigt und damit die imponierende Massigkeit und Wehrhaftigkeit hervorhebt. Stattdessen rückt die Marienburg hier stärker in die Ferne, überlässt dem kleinen grünen Boot den Vordergrund, fügt sich in das Gebäudeensemble des östlichen Nogat-Ufers ein – und verliert dadurch einen Teil ihrer lastenden Schwere und Eindeutigkeit.
Diese Wirkung wird noch durch die Einbettung in die winterlich erstarrte Landschaft verstärkt. Die Burg, in Polen eines der wichtigsten Ausflugsziele überhaupt, wird im Sommer Tag für Tag von Hunderten von Menschen als touristische Sehenswürdigkeit bevölkert und in Besitz genommen. Jetzt, bei Eis und Schnee, scheint sie einmal zur Ruhe – gleichsam zu sich selbst – zu kommen.

Der Neptun-Brunnen auf dem Langen Markt von Danzig
Der Danziger Neptun-Brunnen ist längst zu einem Wahrzeichen der Stadt geworden. Kein Besucher lässt die Gelegenheit aus, dieses Kunstwerk auf dem Langen Markt zu besuchen, vielleicht auch zu entdecken : seinen vielschichtigen Aufbau, die Blickachsen, in die es innerhalb des urbanen Raums eingebunden ist, oder seine vermittelnde Kraft, den Artushof und das Rechtstädtische Rathaus spannungsvoll aufeinander zu beziehen.
Mit diesem Brunnen wird 1633 ein architektonisches Gesamtensemble gekrönt, das aus dem frühneuzeitlichen Bedürfnis der Patrizier erwachsen ist, den Überfluss an Macht und Reichtum auch nach außen hin sichtbar werden zu lassen. Deshalb wohl wurde 1617 auch der Baumeister und Bildhauer Abraham van den Blocke mit dem Entwurf betraut, der zuvor schon das Speymannhaus (das »Goldene Haus«) errichtet und den Artushof neugestaltet hatte. Bei ihm konnten die Auftraggeber sicher sein, dass die Menschen durch seine Werke in Erstaunen und Bewunderung versetzen würden.
Diese Absicht wird gewiss bis heute erreicht – und kaum ein Besucher kann darauf verzichten, den Neptun vor den eindrucksvollen Fassaden der Prachtbauten abzulichten. Gegenüber solchen Postkarten-Motiven erscheint es freilich verlockend, sich dem Neptun – fast ein wenig indiskret – von der Rückseite her zu nähern, ihn nicht von einer Menschentraube umringt zu zeigen und die Aufmerksamkeit des Betrachters einmal auf die Gegenseite des Langen Markts zu lenken.

Torbogen innerhalb des Kaiserlichen Guts Cadinen
Nachdem Kaiser Wilhelm II. das Gut Cadinen 1898 als Sommersitz und Jagdrevier erworben hatte, ließ er ein – noch heute bestehendes – Gestüt sowie eine moderne Dampfziegelei errichten. Neben den Fabrikanlagen wurde eine Mustersiedlung mit Schule, Postamt und Krankenhaus gebaut, so dass der Ort eine in sich geschlossene Lebens- und Arbeitswelt bot.
Ab 1903 nahmen dort die »Königlichen Majolika- und Terrakotta-Werkstätten« die Produktion von Baukeramik auf, stellten in ihren Werkstätten aber auch Ziergefäße her. Von 1918 bis 1945 entstanden in einer spezifischen Farbgebung aus Rotbraun, leuchtendem Kobaltblau und Gold Tafelgeschirr und Wandteller, die – ebenso wie die Tierplastiken aus dieser Manufaktur – am Kunstmarkt bis in die Gegenwart hinein respektable Preise erzielen.
Heute steht der Ort unter Denkmalschutz, das Schloss ist renoviert, und in den Wirtschaftsgebäuden wurden ein Hotel und ein Restaurant eingerichtet. Den markantesten Teil des ganzen Ensembles bildet das Torhaus. Optisch begrenzt es die Zufahrt, auf die der Betrachter des Fotos zurückblickt. Wenn man es von dort durchschritten hat, erreicht man den im Bild gezeigten, weniger repräsentativen Bereich des Guts. Hier befand sich zur Zeit Wilhelms II. die Automobilhalle, die mit Stellplätzen für sechs Autos und einer gut sortierten Werkstatt den Wünschen des technikaffinen Monarchen entsprach. Zudem fanden sich hier Unterkünfte für das Automobil-Personal sowie ein unterirdischer Tank für 2.000 Liter Benzin.

Die Ostseeküste bei Habichtsberg (Großendorf)
Habichtsberg ist die nördlichste Siedlung der ehemals westpreußischen Ostseeküste und liegt unmittelbar neben Großendorf, dem Ort, von dem aus sich nach Südosten die Halbinsel Hela erstreckt. Die Steilküste bei Habichtsberg lädt dazu ein, versonnen auf die Ostsee zu schauen, sich von der friedlichen Stille, der intensiven Farbigkeit und der Weite des Meeres gefangen nehmen zu lassen.
Ein einzelner Fischkutter auf den Wellen vermag dieses harmonische Bild malerisch abzurunden – erinnert zugleich aber daran, dass in dieser Region mit ihren Naturschönheiten wie ihren vielen touristischen Angeboten auch die Fischerei noch fortwährend einen wichtigen Wirtschaftszweig bildet : Großendorf verfügt sowohl über ein Seebad als auch über einen respektablen Fischereihafen ; und das Wahrzeichen der Kleinstadt ist das in den 1950er Jahren erbaute »Haus des Fischers«.
Wer sich für die Entwicklung der Ostseefischerei interessiert oder wer ermessen will, wie stark der Fischfang schon über Jahrhunderte die Existenz der See-Kaschuben – ihren Lebensrhythmus, ihre sozialen Verflechtungen wie ihre Riten – bestimmt hat, sollte das Fischereimuseum in Hela bzw. das Museum des Putziger Landes in Putzig besuchen – und die bis heute lebendige Tradition der Fischerwallfahrt kennenlernen : Am 29. Juni eines jeden Jahres zieht von der Halbinsel Hela eine Prozession von geschmückten Booten nach Putzig, wo die Wallfahrt mit einem feierlichen Gottesdienst in der Kirche St. Peter und Paul ihren Abschluss findet.

Das vor dem Rathaus errichtete Kopernikus-Denkmal
auf dem Marktplatz von Thorn
Im allmählich aufkommenden Nationalismus des 19. Jahrhunderts bildete die Frage nach der deutschen oder polnischen Abkunft von Nikolaus Kopernikus schon früh ein sensibles Thema ; und da bereits 1830 in Warschau Bertel Thorvaldsens imposantes Denkmal für den Astronomen enthüllt worden war, wuchs das Bedürfnis, ihn auch auf deutschem Boden in vergleichbarer Weise zu ehren. 1839, an Kopernikus’ Geburtstag, dem 19. Februar, gründeten Thorner Honoratioren einen »Coppernicus-Verein«, dessen einziges Ziel es war, dem großen Sohn der Stadt ebenfalls ein Denkmal zu errichten.
Obwohl die Mitglieder bei der Spendensammlung rasch erfolgreich waren, gewann das Projekt nur langsam deutlichere Konturen. Mehrere Ratgeber und Instanzen wurden beteiligt, der finanzielle Rahmen ließ sich nur mit Schwierigkeiten einhalten, und vor allem verursachte Christian Friedrich Tieck, der mit dem Entwurf betraute Bildhauer, eine Reihe von zeitraubenden Verzögerungen.
Nachdem der Guss aber Ende 1850 gelungen war, Christian Daniel Rauch noch einige Korrekturen vorgenommen hatte und die von Wilhelm IV. gutgeheißene Inschrift in den Granitsockel eingemeißelt war, konnte das Denkmal endlich am 25. Oktober 1853 eingeweiht werden. Ungeachtet aller ästhetischen Debatten, die sich damals an Tiecks Arbeit entzündeten, ist die klassizistisch mit einer Toga umhüllte Statue des Kopernikus seitdem ebenso wenig aus dem Stadtbild Thorns wegzudenken wie der mächtig dahinter aufragende Turm des Rathauses.

Partie des Kaschubischen Ethnographischen Parks in Wdzidzen
Nur gut 15 Kilometer von Berent entfernt, liegt malerisch das Kaschubische Ethnographische Freilichtmuseum von Wdzidzen an dem gleichnamigen See. Seinen Besuchern eröffnet es mannigfaltige Möglichkeiten, sich detailliert mit der Bau- und Alltagskultur der Kaschubei vertraut zu machen.
Auf einer Fläche von immerhin 22 Hektar bietet der Museumspark ein reichhaltiges Ensemble von Gebäuden : Katen und Bauernhäuser mit Ställen und Scheunen finden sich ebenso wie Windmühlen, eine Schmiede oder andere Werkstätten. Hinzu kommen zwei Kirchen, und auch eine Dorfschule fehlt nicht. Viele dieser Objekte verfügen über originalgetreu nachgebildete Innenräume mit authentischer Ausstattung. Diese bald 50 Gebäude zeugen vom Reichtum und der Vielfalt der kaschubischen Dorfarchitektur aus der historischen Spanne zwischen dem 18. und dem 20. Jahrhundert.
Gegründet wurde das Museum bereits 1906 von Isidor Gulgowski und seiner Ehefrau Theodora, geb. Fethke, die es in einer aus dem 18. Jahrhundert stammenden Bauernhütte einrichteten und dort eine Sammlung von Werkzeugen und Geräten sowie von Keramik, mit Goldfäden bestickten Hauben und auf Glas gemalten Bildern zusammentrugen. Mit ihren volkskundlichen Forschungen und ihrer Leidenschaft für die Erscheinungsformen der kaschubischen Kultur förderten sie überdies die Entwicklung des heimischen Handwerks und ermutigten die Bevölkerung dazu, sich selbstbewusst mit den eigenen künstlerischen Traditionen zu beschäftigen.

Blick über den Großen Kloster-See
zur Mariä-Himmelfahrt-Stiftskirche in Karthaus
Am Ufer des Klostersees, der sich von Karthaus aus in nördlicher Richtung ausdehnt, ist ein Spazierweg angelegt. Er bietet eine Reihe von Möglichkeiten, auf das Kirchengebäude der ehemaligen, 1380 gegründeten Kartause »Marienparadies« zurückzublicken und allmählich zu beobachten, wie der Uferstreifen im Gegenlicht immer stärker den Eindruck einer reinen Silhouette gewinnt.
Trotz größerer Entfernung lässt sich auch weiterhin noch die eigenwillige Form des Kirchendachs erkennen, bei dem der First nicht als Kante, sondern als waagerechte Fläche ausgelegt ist – gerade wie bei einem Sargdeckel, dessen Konturen hier bei baulichen Veränderungen in den Jahren von 1731 bis 1733 tatsächlich als Vorbild gedient haben. Auf diese Weise konnten die Kartäuser das Motto ihres Ordens – Memento mori (Gedenke des Todes) – bereits mit architektonischen Mitteln weithin sinnfällig werden lassen.
Der Orden, der in Preußenland nur dieses eine – etwa 40 Kilometer westlich von Danzig gelegene – Kloster errichtete, hat Karthaus den Namen gegeben, und sein heraldisches Symbol der sieben Sterne findet sich auch auf dem Wappen der Stadt. Ansonsten sind die Verbindungen allerdings äußerst locker : Erst nach der Aufhebung des Klosters im Jahre 1826 begann die behutsame Entwicklung der heutigen »Hauptstadt der Kaschubei«, die noch bis 1923 darauf warten musste, dass ihr – nun vom polnischen Staat – überhaupt das Stadtrecht verliehen wurde.

Ruine der Deutschordensburg Rehden
Einen besonderen Anziehungspunkt des Deutschordensmuseums in Bad Mergentheim (BW) bildet ein großmaßstäbliches Modell der Burg Rehden, die der Orden an der Stelle eines hölzernen Vorgänger-Bauwerks um 1300 aus Backstein errichtet hatte.
Wer in Erinnerung an dieses Modell die – 20 Kilometer südöstlich von Graudenz gelegene – Burg in ihrem heutigen Zustand besichtigt, wird in besonderem Maße die Verluste ermessen können, die ihr durch die Zerstörungen während des Zweiten Nordischen Krieges (1655–1660) und der anschließenden, bis 1887 andauernden Phase des Verfalls zugefügt worden sind. Vom Bergfried, der, links vom Betrachter, einst aus dem Haupthaus herausragte, oder vom »Dansker«, der, etwas weiter rechts, separat vor dem Gebäude stand, sind keine Relikte mehr zu sehen, und die äußeren Mauern im Vordergrund der Aufnahme gehören zu den wenigen Resten, die von diesen Einfriedungen überhaupt noch erhalten sind.
Die vom Fotografen gewählte Perspektive auf den südwestlichen Eckturm, der ebenso wie sein Pendant noch vollständig erhalten ist, gibt zugleich aber auch den Blick auf die Südfassade mit dem repräsentativen Portal frei. Diese keineswegs vollständige, aber doch geschlossen wirkende Seite verleiht der Ruine im Kontrast mit dem Fragmentarischen der übrigen Partien etwas Monumentales, Überwältigendes : Die Burg erscheint als architektonisches Zeugnis für das Wirken und die – wohlgemerkt vergangene – Macht des Deutschen Ordens kaum weniger authentisch denn die Marienburg.

Der Oberländische Kanal bei Buchwalde
Bei Luftaufnahmen gewinnt die abgelichtete Natur leicht auch Züge eines Kunstwerks : Wird unser Blick nicht intensiv von dem Bogensegment angezogen, das rechts die Bildfläche exzentrisch teilt ? Vollzieht sich vor unseren Augen nicht ein faszinierendes Farben-Spiel mit feinen Kontrasten und internen Differenzierungen ?
Gerade solch ein Foto benötigt allerdings eine genauere Kommentierung ; denn es ist bereits als Repräsentation des Oberländischen Kanals ungewöhnlich : Statt spektakulärer Motive wie Seilscheiben oder über Land fahrender Schiffe wird lediglich die Kanalausfahrt am Ende des fünften – und letzten – Rollbergs, demjenigen von Buchwalde, gezeigt. Zudem liegt dieser Ort auch noch auf ostpreußischem Gebiet. Es mag aber trotzdem legitim sein, diese fest mit Elbing assoziierte Wasserstraße, den »Elbinger Kanal«, im westpreußischen Kontext zu berücksichtigen.
Überdies steht das Bild exakt »auf dem Kopf« : Die Seite des Rollbergs liegt im Norden, die Kanalausfahrt hingegen im Süden. Würde das Foto diese Verhältnisse allerdings wirklichkeitsgetreu widerspiegeln, verlöre es zugleich wesentliche Momente seiner ästhetischen Qualitäten. Die ungestörte Harmonie der Farben und Formen hat letztlich auch begründet, warum hier einer etwas älteren Aufnahme der Vorzug gegeben worden ist – auf der die Veränderungen durch die jüngsten, ab 2013 vorgenommenen Renovierungen, vor allem die auffällige Modernisierung der Uferwege und der kleinen Brücke, quasi noch ausgeblendet bleiben.

Blick über den Wehrgraben auf die
Parkansicht von Schloss Krockow
Nördlich von Neustadt, und nur wenige sieben Kilometer vom Ostseestrand entfernt, liegt das Dorf Krockow, das den Mittelpunkt der gleichnamigen Gemeinde bildet und heute zum Kreis Putzig gehört. Zu den Sehenswürdigkeiten des Ortes zählt neben der ehemals evangelischen Kirche, die von der Gutsherrschaft in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gestiftet wurde, vor allem das Schloss.
Es war bis 1945 der Sitz der Adelsfamilie von Krockow, die bereits im letzten Drittel des 13. Jahrhunderts urkundlich erwähnt worden ist. Ein erster Bau wurde zwischen dem 14. und dem 15. Jahrhundert errichtet. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts erhielt das Schloss dann mit einer dreiflügeligen Anlage sein heutiges Aussehen. Zu dieser Zeit verwandelte die damalige Gräfin, Luise von Krockow, den Park des Anwesens phantasievoll in einen höchst abwechslungsreichen Landschaftsgarten, der in naher Zukunft zumindest in Teilen wiedererstehen soll.
Nachdem die Familie ihren Besitz verloren hatte, verfiel das Schloss und konnte erst dank der – zu diesem Zweck ins Leben gerufenen – Stiftung Europäische Begegnung / Kaschubisches Kulturzentrum zwischen 1990 und 1993 wiederaufgebaut werden. Seitdem beherbergt dieses Kleinod der nördlichen Kaschubei ein Hotel. – Zudem betreibt die Stiftung am Rande des Schlossgeländes das Regionalmuseum Krockow, das mit dem Westpreußischen Landesmuseum im westfälischen Warendorf kooperiert.

Die Domburg Marienwerder
In unzähligen Aufnahmen ist die Domburg Marienwerder von Westen, vom Tal der Weichsel aus, abgelichtet worden. Geradezu überwältigend wirkt in dieser Perspektive das mächtige Ensemble aus Schloss und Dom, das zwischen 1322 und 1384 am hohen Ufer über Liebe und Nogat errichtet worden ist. Insbesondere vermag dann der »Dansker«, die Toilettenanlage der Burg, zu beeindrucken, denn dessen mächtiger Turm ragt – dem Betrachter entgegen – am Ende eines Verbindungsgangs mehr als 60 Meter ins Land hinaus.
Dank der Drohnen-Technik ist es inzwischen aber möglich geworden, von dem Gesamtkomplex ein anderes Bild zu gewinnen. Die erhöhte Perspektive erlaubt es beispielsweise, rechts, an der Nordseite der Burg, die gewaltige Portalnische für das Fallgitter und gleichzeitig links, hinter dem Chor, eine Straßenzeile der allmählich wiedererstehenden Altstadt zu betrachten. Dom und Schloss werden in eins überschaubar, so dass die Doppelfunktion des Glockenturms, der zugleich der Hauptturm der Burg ist, prägnant hervortritt ; und nicht zuletzt öffnet sich nun auch der Blick in die atemberaubende Weite der Weichsel-Ebene.
Von dieser Höhe aus vermag jede Luftaufnahme bereits einen Eindruck von Erhabenheit zu vermitteln. Wenn sie dann auch noch den angestrahlten Dom in den Abendstunden zeigt, scheint sie dazu prädestiniert zu sein, unsere Adventszeit zu begleiten und den Zielpunkt des Weges zu bilden, den der Westpreußen-Kalender in diesem Jahr durch das untere Weichselland genommen hat.
Die polnischen Text finden sich hier.