Zurück
Westpreußen-Kalender 2019

Titelblatt: Blick auf die Danziger Lange Brücke vom Krantor zum Marientor mit dem dahinter aufragenden Gebäude der Naturforschenden Gesellschaft bis zum Grünen Tor. (Foto: Maciek Nicgorski, shutterstock)
Bildauswahl und Texte: Erik Fischer
Übersetzung ins Polnische: Joanna Szkolnicka
Grafik: Mediengestaltung Kohlhaas

DER WESTPREUSSEN-KALENDER 2019
Danzig und das Land an der unteren Weichsel – mit den UNESCO-Welterbestätten Marienburg und Thorn – bilden höchst beliebte Reiseziele. Besucher stoßen dann rasch darauf, dass diese Landschaft auch mit der deutschen Geschichte verbunden ist, bis 1920 »Westpreußen« hieß und für Deutsche wie Polen einen wichtigen Erinnerungsort bildet : Hier befand sich beispielsweise das Kerngebiet des Territoriums, das im Mittelalter vom Deutschen Orden beherrscht wurde, und gerade hier musste das Deutsche Reich nach dem Ersten Weltkrieg einschneidende territoriale Veränderungen hinnehmen.
In der Gegenwart ist »Westpreußen« vor allem eine Erinnerungslandschaft für Menschen, die aus dieser Region stammen und für deren Familien dieses Land oft jahrhundertelang Heimat war ; und zugleich ist es eine historische Kategorie, die den heutigen Bewohnern bei ihrer Beschäftigung mit dem kulturellen Erbe und der gemeinsamen deutsch-polnischen Geschichte einen wichtigen Orientierungsraum eröffnet.

Wehrspeicher und Wassertor in Graudenz
Wenn ein Künstler den Auftrag erhielte, ein mythisch anmutendes Bild einer mittelalterlichen Stadt zu entwerfen, die uneinnehmbar und erhaben wirkt, den Betrachter aber auch anzieht und zum Betreten dieser geheimnisvollen Welt verlockt – dann könnte dieser Künstler seine Phantasie schweifen lassen und einen mächtigen, gestaffelten Komplex von wehrhaften Bauwerken zeichnen, hinter dem sich Kirchtürme erheben ; er könnte am Ende einer breiten Rampe ein Tor als Symbol der Zugänglichkeit wie der Abschottung vorsehen und schließlich, um das Traumhaft-Entrückte des Szenariums noch stärker zu akzentuieren, die Natur im Frost erstarren lassen und alles in ein winterlich-fahles Licht tauchen. Das Ergebnis solch eines freien kreativen Gestaltens könnte somit dem fotografischen Abbild von Graudenz durchaus nahekommen.
Dieses kleine Gedankenspiel dürfte zulänglich verdeutlichen, in welch hohem Maße gerade die Süd-West-Ecke der Stadt einer idealen Vorstellung vom „fernen“ Mittelalter entspricht. Die parallel zur Weichsel verlaufende Befestigungsanlage der imposanten Wehrspeicher und das „Wassertor“ gehören zu den letzten Relikten, die noch von den ursprünglichen, vom Deutschen Orden errichteten Bauten künden ; und dieses charakteristische Ensemble hat für Graudenz längst eine identitätsstiftende Bedeutung gewonnen – gehörte das Wassertor doch bezeichnenderweise zu den ersten Architekturdenkmälern, die nach dem Zweiten Weltkrieg in der schwer geschundenen Stadt rekonstruiert worden sind.
Vom Bergfried aus betrachtet, wirkt die verschneite Altstadt, aus der die Turmhaube des Rathauses, des ehemaligen Jesuitenkollegs, und der von einer Laterne gekrönte Turm der Pfarrkirche St. Nikolaus hervorragen, gleichsam verdichtet, und erst recht beeindruckt jetzt die imposante Höhe der Wehrspeicher, die bis zum Flussufer hinunterreichen. Schließlich lässt sich in dieser Perspektive sonderlich gut erkennen, was für ein mächtiges technisches Bauwerk die – mit ihrem Spiegelbild schemenhaft im Bildmittelgrund auftauchende – Graudenzer Weichselbrücke darstellt.

Blick vom Turm der Elbinger Nikolaikirche
Vom Turm der St.-Nikolai-Kirche aus fallen beim Blick auf Elbing in nordöstlicher Richtung sogleich einige markante Merkpunkte der Stadt ins Auge. Im oberen Bildfeld steht links das langgestreckte rote Verwaltungsgebäude der früheren Schichau-Werke. Davor erhebt sich das Markttor, das Wahrzeichen der Stadt. Rechts davon erheischt die nach der Renovierung in leuchtendem Gelb erstrahlende Kaiserin-Auguste-Viktoria-Schule Aufmerksamkeit. Am oberen rechten Bildrand ragt der Turm der früheren Heinrich-von-Plauen-Schule hervor. In der Mitte der rechten Bildhälfte liegt am großzügig disponierten Friedrich-Wilhelm-Platz der turmbewehrte Komplex der Hauptpost, während die rechte untere Bildecke schließlich vom 2010 errichteten Neubau des (1777 abgebrannten) Altstädtischen Rathauses dominiert wird.
Von der hohen Warte des Kirchturms aus werden freilich nicht nur Erinnerungen an Gebäude und Orte wach, sondern etwas ältere Betrachter dürften auch immer noch ins Staunen darüber kommen, die Altstadt überhaupt wiedererstanden zu sehen. Erst seit relativ kurzer Zeit werden hier vollständige Karrees gebaut, die dann zwar den Maßen der alten Fundamente folgen, deren Gebäude aber architektonisch freier entworfen und nicht im strengen Sinne rekonstruiert werden. Stattdessen erscheinen – wie der Rathaus-Neubau exemplarisch zeigt – wiedererkennbare Vorgänger-Strukturen geschickt in postmoderne Gestaltungsprinzipien übersetzt. Elbing erweist sich aus dieser Perspektive somit als ein wahrhaftiger Phoenix.

Die Dirschauer Brücke
Die rechte der beiden abgebildeten Brücken wurde am 18. Oktober 1857 dem Eisenbahnverkehr übergeben. Sie war mit einer Länge von 837 Metern die erste weitgespannte eiserne Balkenbrücke des europäischen Festlandes und galt mit Recht als Pionierleistung. Folgerichtig wurde sie 2004 auch in die internationale Liste der Ingenieur-Baudenkmäler aufgenommen.
Die staunenswerten Dimensionen lassen sich gerade aus der hier gewählten Perspektive wahrnehmen : Erst in großer Entfernung tauchen die noch übriggebliebenen zinnenbewehrten Türme auf, mit denen der Schinkel-Schüler Friedrich August Stüler das Bauwerk einst geschmückt hatte. Bis heute sind sie es, die sonst – wenn der Blick von Dirschau aus diagonal auf die Brücke gerichtet wird – den machtvollen Eindruck dieser kühnen Konstruktion dominieren.
Mit ihr war es gelungen, beim Bau der Ostbahn auch die gewaltige Weichsel zu überbrücken. Dabei musste Carl Lentze, der diese Aufgabe gelöst hat, nicht nur als Baumeister wirken, sondern zugleich auch die nun notwendig gewordenen Strom- und Deichregulierungen vornehmen. Jenseits ihrer Bedeutung für das 19. Jahrhundert verbindet sich mit dieser Brücke freilich auch die Erinnerung, dass sie Jahrzehnte nach ihrer Fertigstellung für einige Zeit von polnischem Staatsgebiet zur Freien Stadt Danzig führte und 1939 sowie 1945 jeweils aus strategischem Kalkül zerstört wurde. Nicht zuletzt dadurch ist sie zu einem zentralen Monument der deutsch-polnischen Geschichte Westpreußens geworden.

Vorlaubenhaus in Prinzlaff / Gem. Steegen
Die Bauweise des Vorlaubenhauses hat sich vornehmlich östlich der Elbe verbreitet und tritt dort in unterschiedlichen Landstrichen auf. In der Weichselniederung wurde sie bei Bauernhäusern allerdings so häufig angewandt, dass sie mittlerweile als Charakteristikum fest mit dieser Region assoziiert erscheint.
Die nach drei Seiten hin offene Vorlaube, das bestimmende Merkmal dieses Bautyps, steht in der Regel im rechten Winkel zum Hauptgebäude, häufig in dessen Mitte, und weist die gleiche Firsthöhe wie dieses auf. Gestützt wird sie von zwei bis zu neun Ständern, deren Anzahl und kunstvolle Ausgestaltung mit Schnitzwerk naturgemäß vom Reichtum der Besitzer abhingen – und freilich auch davon zeugen sollten. Zudem wurde auf die Verzierung der Giebel durch ein harmonisches Arrangement der Stäbe, Streben und Riegel sowie durch ornamental eingesetzte gebogene Hölzer besonderer Wert gelegt.
Die Vorteile der Bauform lassen sich vor allem darin sehen, dass sich das Korn über eine Luke zum Trocknen und Lagern leicht nach oben transportieren ließ und die Wagen vor der Fahrt zum Markt ebenso problemlos wieder beladen und witterungsgeschützt abgestellt werden konnten.
Über längere Zeit waren die Vorlaubenhäuser vom Verfall bedroht. Dass sie unter Denkmalschutz gestellt wurden, hielt aufgrund der damit verbundenen Auflagen die Nachfrage von Investoren in Grenzen. Inzwischen aber finden sich des Öfteren Liebhaber, die sich dieser Gebäude annehmen und sie regelgerecht restaurieren und renovieren.

Die Drewenz östlich von Gollub
Beim Blick auf die Mäander, die von der Drewenz gebildet werden, scheinen die Grenzen zwischen Natur und Kunst durchlässig zu werden. Die harmonischen Linienverläufe und Schwingungen sowie das Wechselspiel der Flächen und Farben erinnert an Formen und Strukturen, die sich sonst einem künstlerischen Gestaltungswillen verdanken. Dabei verhilft die erhöhte Drohnen-Perspektive insbesondere dazu, diese ästhetischen Zusammenhänge deutlicher wahrzunehmen. Der Grund für dieses faszinierende „Werk“ der Natur liegt bekanntlich darin, dass sich das Sohlgefälle eines Flusses verringert und dadurch – wie es J. G. Bujack 1838 in einem Beitrag für den 20. Bd. der Preuß. Provinzial-Blätter formuliert – „die Ufer bedeutend angegriffen werden, und der Fluß zur Erreichung des Beharrungszustandes zu serpentiniren strebt.“
Der Fluss, der südwestlich von Hohenstein entspringt und bis zur Mündung in die Weichsel gut 250 Kilometer zurücklegt, bildet die Lebensader des südöstlichen Westpreußen. An ihm liegen die Kreisstädte Neumark, Strasburg und Gollub. Die Bedeutung als Wasserverkehrsweg – vor allem für die Holzflößerei – ging nach dem Bau des Oberländischen Kanals in der Mitte des 19. Jahrhunderts zurück. So konnten sich die natürlichen Gegebenheiten wieder relativ frei entfalten – und heute prägt das „Serpentinieren“ der Drewenz eine malerische Flusslandschaft, die schon seit längerem für Angler wie für Kanu-Sportler eine hohe Attraktivität gewonnen hat.

Brunnen auf dem Marktplatz von Konitz
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts fand das Städtchen Konitz ökonomisch und sozial allmählich Anschluss an die Moderne. Trottoirs wurden gepflastert, die Häuser erhielten Wasser- und Elektrizitätsanschlüsse, und 1901/02 wurde im neogotischen Stil ein neues Stadthaus errichtet. Der luxuriöse Gedanke, vor die prächtige Fassade nun auch noch ein Brunnen zu stellen und die städtebaulichen Innovationen dadurch zu krönen, kam den Verantwortlichen zu dieser Zeit allerdings noch nicht.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde dann vor dem Rathaus zwar, eingefasst in ein Geviert niedriger Begrenzungsmauern, ein schlichter Quellsteinbrunnen errichtet ; zur vollen Entfaltung kam dieses Konzept aber erst, als 2002 ein neues, aufwändiges Wasserspiel fertiggestellt wurde, das der Schlochauer Bildhauer Zbigniew Januszewski (1949–2018) gemeinsam mit dem 1978 geborenen Konitzer Künstler Jarosław Urbański entworfen hatte.
Die beiden waren übereingekommen, den Sockel, die tragende Säule und die Becken aus Sandstein und die Skulpturen aus Bronze herzustellen. Bei der Gestaltung ließen sie sich von der Grundvorstellung eines Johannisfestes leiten : Ausgelassen-heiter, selbstbewusst, spielerisch-gelöst und durchaus verführerisch erscheinen, umhüllt von irisierenden Wasserschleiern und inmitten der Fontänen, drei Frauenfiguren, die im Moment graziler, tänzerischer Bewegungen festgehalten worden sind – und seitdem nun die Blicke der Vorübergehenden auf sich ziehen.

Die Altstadt von Mewe
Der Wunsch, einen Ort zu finden, der noch unverfälscht den Eindruck einer Siedlung aus der Ordenszeit vermittelt, dürfte sich in Mewe erfüllen. An einem Hang gelegen, der an der Mündung der Ferse in die Weichsel zu beiden Flüssen hin abfällt, bietet die Altstadt ein geschlossenes Bild mittelalterlicher Bebauung.
Auf der linken Seite – im Westen – erhebt sich die Pfarrkirche St. Nikolaus. Sie entstand in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts, nach der zeitgemäßen Bauweise aus Backstein und – vor allem an den Giebeln – mit dem belebenden Wechsel von rotem Ziegel und weiß verputzten Blenden verziert. Im Osten dominiert die Ehrfurcht einflößende Deutschordensburg, die ebenfalls im Laufe des 14. Jahrhunderts fertiggestellt wurde. Auf der rechten Seite schließen sich zudem noch Wirtschaftsgebäude an.
Hier, im Bereich der Vorburg, hat sich der polnische König Johann III. Sobieski in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts ein – stilistisch dem Umfeld angepasstes – Schloss errichten lassen. Zudem stammt der obere Teil des Turms von St. Nikolaus aus dem 19. Jahrhundert, und 1856 wurde der mächtige Bergfried der Burg, die damals als Zuchthaus diente, durch einen kleinen, vierten Turm ersetzt. Schließlich wurde das Gebäude nach einem verheerenden Brand (1921) insgesamt erst seit den 1970er Jahren wiederhergestellt. So ist es nicht zuletzt der späteren Baugeschichte mit ihren Abrundungen, Eingriffen und Rekonstruktionen zu danken, dass Mewe dem Betrachter heute ein derart stimmiges und „authentisches“ Stadtbild darbietet.

Das frühere Keyserlingk-Palais in Neustadt
Bei sonnig-warmem Wetter bevölkern die Einwohner von Neustadt den Stadtpark. Sie genießen die gepflegten Rasenflächen, den Bestand an großen alten Bäumen, die Wasserspiele und Blumenrabatten, zeigen ihren Kindern das liebevoll gestaltete „Palais“, das inmitten eines kleinen Teiches als Nistplatz für die Schwäne aufgestellt worden ist, beobachten die Vögel in den Volieren oder genießen in einem Restaurant bei einem Kaffee die Atmosphäre dieser Gartenlandschaft, die jedermann zum Entschleunigen einlädt.
Eine besondere Attraktion bildet freilich das Neustädter Schloss, dessen dem Park zugewandte Südseite dieses Foto zeigt. Es wurde Anfang des 19. Jahrhunderts von Alexander von Keyserlingk errichtet und von seinen Erben späterhin erweitert. Einer der letzten deutschen Besitzer war Heinrich Graf von Keyserlingk (1861–1941), ein Parlamentarier sowie Hof- und Verwaltungsbeamter, dessen Karriere ihn bis ins Amt des Generallandschaftsdirektors von Westpreußen führte.
Nach 1945 von verschiedenen Institutionen genutzt, wurde die Residenz 1995 zum Sitz des (1968 gegründeten) „Museums für kaschubisch-pommersche Literatur und Musik“. Dieses Haus verfügt über reichhaltige Bestände aus allen Bereichen der Kultur, die durch mannigfache Ausstellungen und Publikationen erschlossen wird. Damit bildet es einen herausragenden Beleg für den Erfolg der Bemühungen um eine Wiederbelebung der heimischen Traditionen sowie um die Anerkennung des Kaschubischen als einer eigenständigen Regionalsprache.

Ostseestrand bei Jurata (Hela)
Jurata heißt die jüngste, nach dem Ersten Weltkrieg gegründete Siedlung auf der Halbinsel Hela. Sie liegt nur wenige Kilometer vor dem Hauptort Hela, der das Ende des „Kuhschwanzes“ markiert.
Als Namenspatronin wurde die – in baltischen Mythen heimische – Meeresgöttin „Jurata“ (litauisch „Jūratė“) erkoren. Sie bewohnte in der Nähe von Hela einen prachtvollen Palast aus Bernstein. Als sie sich aber in ein menschliches Wesen, den Fischer Kastytis, verliebte, entbrannte der mächtige Gott Perkūnas in Eifersucht, kettete Jūratė an einen Felsen, tötete den Geliebten und zerstörte den Palast. Wenngleich diese Geschichte traurig ausgeht, ließen sich doch nun die Bernstein-Stücke, die am Strand gefunden werden, als Tränen der gefangenen Königin oder als Relikte jenes Prachtbaus deuten.
„Jurata“ nannte sich zudem ein Unternehmen, das Ende der 1920er Jahre in dem Ort ein größeres Terrain pachtete, um Urlaubsmöglichkeiten für Wohlhabende zu schaffen. Bevorzugt entstanden nun luxuriöse Wohnanlagen und Villen. Ihren exklusiven Charakter hat Jurata bis heute bewahrt. Nicht umsonst liegt hier die Sommerresidenz des polnischen Präsidenten.
Gut nachzuvollziehen sind die besonderen Sympathien für diesen Ort, wenn man beispielsweise von der 320 m langen Seebrücke, die in die Putziger Wieck hineinragt, über die elegante Promenade „Zwischen den Meeren“ (Międzymorze) zur offenen See hin flaniert – und sich dort dann unvermittelt der Blick in die Weite von Wald, Strand und Meer eröffnet.

Die Deutschordensburg Schwetz
Schon bevor der Deutsche Orden Schwetz 1310 erworben hatte, befanden sich auf der Höhe über der Weichsel eine Stadt und vor allem eine bedeutende Feste der pommerellischen Herzöge. Wenig später wurde die Burg im Tal, am Ufer des Schwarzwassers, kurz vor dessen Einmündung in die Weichsel, errichtet. Um die Mitte des 14. Jahrhunderts folgte die Stadt an diesen Ort. Eine Überschwemmung führte allerdings 1858 dazu, dass Schwetz auf die Höhe zurückverlegt wurde. Die Deutschordensburg und die nahebei verbliebene St.-Stanislaus-Kirche bilden somit die letzten Relikte einer 500 Jahre umfassenden Phase der Stadtgeschichte.
Da das Bauwerk dem späten 18. Jahrhundert nur noch als Ressource für Baumaterialien tauglich schien, erwies es sich für die Burg Schwetz als segensreich, dass sich wenige Jahrzehnte später der Gedanke des Bewahrens Bahn brach : 1843 wurde zumindest der imponierende zinnenbekrönte Bergfried, der Turm an der Nordwest-Ecke, restauriert. Nach 1945 setzten weitere Rekonstruktionsbemühungen ein : Die Grundstruktur der gesamten Anlage ist wieder gut erkennbar, und deren einziger vollständig wiederhergestellter Teil, der hier gezeigte Nordflügel, ist inzwischen sogar zugänglich und wird schon seit einiger Zeit als Ausstellungs- und projektraum genutzt. Angesichts der Versuche, die Attraktivität dieses Baudenkmals zu erhöhen, wäre es nicht einmal auszuschließen, dass es demnächst auch auf dem früheren Innenhof der Burg wieder Ritterturniere geben könnte …

Die Domkirche von Kulmsee
Das Panorama der Stadt Kulmsee wird vor allem von der ehemaligen Domkirche des Bistums Kulm beherrscht. Ihre Erhabenheit erschließt sich insbesondere, wenn sie aus einiger Entfernung – wie hier vom Gegenufer des Culmsees aus – in den Blick genommen wird. Dieses Bauwerk ist mit Recht den schönsten Kirchen in der Provinz zugerechnet worden. Zwar entspricht das gegenwärtige Erscheinungsbild nicht den ursprünglichen Plänen : z. B. ist von den vier Türmen, die den romanischen Dom flankieren sollten, nur derjenige an der Nord-West-Ecke vollständig ausgeführt worden, und er hat zudem auch noch Ende des 17. Jahrhunderts eine dem damaligen Zeitstil entsprechende aufwändige Haube erhalten ; den überzeugenden Eindruck von Stimmigkeit und Geschlossenheit mindern solche Differenzen aber keineswegs.
Als Sitz des Bistums Kulm hat die 1251 gegründete Stadt allerdings nur in eingeschränktem Maße gedient. Ab dem frühen 15. Jahrhundert residierte der Bischof in Löbau, kam erst 1781 wieder nach Kulmsee zurück – und ging schon 1824, und nun dauerhaft, nach Pelplin. Den Verlust des Bistumssitzes vermochte die Stadt mittelfristig aber auf einem gänzlich anders gearteten Feld zu kompensieren. Die Anfang der 1880er Jahr einsetzende Zuckerindustrie fand – neben den Weichselniederungen – gerade im Kulmer Land höchst ertragreiche Böden ; und so war es von allen westpreußischen Produktionsstätten letztlich die Fabrik von Kulmsee, die als mit Abstand größte Zuckerfabrik in Europa eine herausragende Position einnahm.

Die Danziger Rechtstadt
Nicht wenige Danziger hielten es vermutlich für angemessen, ihrer Stadt einen eigenen Bildkalender zu widmen. Solch eine Distanzierung vom westpreußischen „Umland“ erscheint historisch nicht unbegründet. Immerhin war Danzig zu Beginn des 17. Jahrhunderts – gut 150 Jahre, bevor von „Westpreußen“ überhaupt die Rede war – schon eine der größten deutschsprachigen Städte überhaupt ; und die alte Hansestadt, das wirtschaftliche und kulturelle Zentrum der Region, fungierte formal im Grunde auch nur in der Zeitspanne von 1878 bis 1920 als Hauptstadt einer eigenständigen Provinz Westpreußen.
Auch wenn Danzig aus der westpreußischen Perspektive heraus vielleicht zu rasch dem Land am Unterlauf der Weichsel hinzugerechnet wird, erweist unsere Bilderfolge der hohen Eigenständigkeit der Stadt doch zumindest dadurch die Reverenz, dass Danzig als Ausgangs- und Endpunkt des Weges durch das Jahr 2019 den gesamten Kalender rahmt. Das Titelblatt zeigt die in wärmeren Jahreszeiten von Touristenströmen bevölkerte Lange Brücke ; und zum Jahresschluss eröffnet sich von einem anderen, ein wenig mottlauabwärts liegenden Punkt aus der Blick auf die gesamte Rechtstadt : von der Johanneskirche über die in ihrer mächtigen Ausdehnung beeindruckende Marienkirche bis zum filigranen Rathausturm. Aus dieser Perspektive, im winterlichen Dunst und durch eine auf ästhetische Perfektion zielende Aufnahme erscheint Danzig geradezu wie ein Traumbild und gewinnt derart einen majestätischen, festlichen Charakter.
Die polnischen Text finden sich hier.