Titel­blatt: Blick vom gegen­über­lie­gen­den Weichsel-​​Ufer auf die Wehr­spei­cher von Grau­denz, die in der Bild­mit­te von der Pfarr­kir­che St. Niko­lai und (links davon) vom Turm des ehe­ma­li­gen Jesui­ten­kol­legs und jet­zi­gen Rat­hau­ses über­ragt wer­den. Im lin­ken Bild­drit­tel erhebt sich der vor eini­gen Jah­ren wie­der­errich­te­te Berg­fried der frü­he­ren Deutsch­or­dens­burg. (Foto: BE &W agen­c­ja foto­gra­ficz­na /​​ Ala­my Stock Photo)

Bild­aus­wahl: Ursu­la Enke
Tex­te: Erik Fischer
Über­set­zung ins Pol­ni­sche: Joan­na Szkol­ni­cka
Gra­fik: Medi­en­ge­stal­tung Kohl­haas, Bonn

Her­aus­ge­be­rin: West­preu­ßi­sche Gesell­schaft
Müh­len­damm 1 • 48167 Münster-Wolbeck


Ein­zel­blät­ter sind über die Monats­na­men erreichbar


DER WESTPREUSSEN-​​KALENDER 2022

Dan­zig und das Land an der unte­ren Weich­sel – mit den UNESCO-​​Welterbestätten Mari­en­burg und Thorn – bil­den höchst belieb­te Rei­se­zie­le. Besu­cher sto­ßen dann rasch dar­auf, dass die­ses Land auch mit der deut­schen Geschich­te ver­bun­den ist, bis 1920 „West­preu­ßen“ hieß und für Deut­sche wie Polen wich­ti­ge Erin­ne­rungs­or­te umfasst :  Hier befand sich bei­spiels­wei­se im Mit­tel­al­ter das Kern­ge­biet des vom Deut­schen Orden beherrsch­ten Ter­ri­to­ri­ums, und gera­de hier muss­te das Deut­sche Reich nach dem Ers­ten Welt­krieg ein­schnei­den­de Gebiets­ver­lus­te hinnehmen.

In der Gegen­wart kenn­zeich­net „West­preu­ßen“ eine viel­fäl­ti­ge euro­päi­sche Kul­tur­re­gi­on, die zu indi­vi­du­el­len Ent­de­ckun­gen ein­lädt, bil­det zudem eine Erin­ne­rungs­land­schaft für Men­schen, die aus die­ser Regi­on stam­men, und ist inzwi­schen auch zu einer his­to­ri­schen Kate­go­rie gewor­den, die den heu­ti­gen Bewoh­nern bei ihrer Beschäf­ti­gung mit dem kul­tu­rel­len Erbe und der gemein­sa­men deutsch-​​­polnischen Geschich­te einen wich­ti­gen Ori­en­tie­rungs­raum eröffnet.

Foto: Zyg­munt Gawron

Das Hafenstädtchen Tolkemit, Kr. Elbing

Die klei­ne Hafen­stadt Tolk­emit, die auf unse­rem Foto aus dem win­ter­li­chen Früh­ne­bel auf­taucht, liegt, ange­schmiegt an die Hän­ge der Elb­in­ger Höhe, am Fri­schen Haff. Sie wur­de Ende des 13. Jahr­hun­derts vom Deut­schen Orden an der Stel­le einer alten Pru­ßen­burg gegrün­det und erhielt 1351 das Stadt­recht. Aus die­ser frü­hen Zeit stammt die katho­li­sche Pfarr­kir­che St. Jako­bus, die 1376 geweiht wur­de und, zumal nach bau­li­chen Erwei­te­run­gen im Jah­re 1900, das Stadt­bild domi­niert. Die klei­ne, nörd­lich davon gele­ge­ne, ehe­mals evan­ge­li­sche Kir­che „zum Kripp­lein Chris­ti“, die auf­grund der ost­west­li­chen Blick­rich­tung der Auf­nah­me rechts von St. Jako­bus zu erken­nen ist, wur­de hin­ge­gen erst 1887 errichtet.

Die Dyna­mik der Grün­der­zeit begüns­tig­te im spä­ten 19. Jahr­hun­dert die wirt­schaft­li­che Ent­wick­lung. 1883 wur­de die Anla­ge des künst­li­chen Hafens fer­tig­ge­stellt, 1898 erhielt der Ort einen eige­nen Bahn­hof der Haf­fu­fer­bahn. Neben dem Fisch­fang flo­rier­ten nun auch der Fracht­ver­kehr sowie der Tou­ris­mus, ins­be­son­de­re durch die Schiffs­ver­bin­dung zum belieb­ten See­bad Kahl­berg auf der Fri­schen Neh­rung. Spä­ter­hin tru­gen auch Hand­werks­be­trie­be und Fabri­ken zum wirt­schaft­li­chen Erfolg bei. 

Die Ent­fal­tung der auf­stre­ben­den Kom­mu­ne wur­de 1945 jäh abge­bro­chen – und es brauch­te in die­sem Fal­le mehr als sechs Jahr­zehn­te, bis sich wie­der posi­ti­ve Kräf­te reg­ten. Inzwi­schen aber meh­ren sich ermu­ti­gen­de Anzei­chen einer Kon­so­li­die­rung und Gesun­dung ;  und es wur­den bereits zukunfts­wei­sen­de öffent­li­che Inves­ti­tio­nen getätigt.

Foto: Jacek Węgielewski

Die Schwente bei Leske, Kr. Marienburg

Zwei Kilo­me­ter süd­lich der klei­nen Stadt Neu­teich und nahe dem Dorf Les­ke schaut unser Foto­graf dem Lauf eines sich sanft durch ver­schnei­te Auen schlän­geln­den Flüss­chens ent­ge­gen ;  erst wei­ter zum Nord­os­ten hin wird die Schwen­te beschiff­bar sein – heu­te für Haus­boo­te und Was­ser­sport­ler, im 19. Jahr­hun­dert für den Han­del etwa von Getrei­de oder Zucker – und wird sodann, in Tie­ge umbe­nannt, hin­ter Fischer­b­ab­ke in die Elb­in­ger Weich­sel münden.

Das Land­schafts­bild des Mari­en­bur­ger Wer­ders wird wesent­lich durch sei­nen rei­chen Bestand an Wei­den geprägt und übt zu jeder Jah­res­zeit – wie auch an die­sem trü­be­ren Febru­ar­tag – einen ihr ­eige­nen Reiz aus. Von sol­chen Impres­sio­nen beseelt, rich­tet der Dan­zi­ger Schrift­stel­ler Johan­nes Tro­jan (1837–1915) sein mehr­stro­phi­ges Gedicht an Die Kopf­wei­de und beginnt mit dem hym­ni­schen Bekennt­nis : „Du, des Ufers Schutz und Zier, /​​  Ger­ne ruht mein Blick auf Dir, /​​  An dem Bach, am Wie­sen­saum, /​​  Gar bescheid­ner Weidenbaum.“

Hell­sich­tig preist der Poet neben allen Schön­hei­ten auch die man­nig­fal­ti­ge Nütz­lich­keit die­ses Gehöl­zes – dar­un­ter sei­ne beson­de­ren Eigen­schaf­ten, die sich auch heut­zu­ta­ge noch Inge­nieur­bio­lo­gen zu Nut­ze mache :  die Fähig­kei­ten des Wei­den­bau­mes, durch sein brei­tes dich­tes Wur­zel­werk gefähr­de­tes Erd­reich zu fes­ti­gen und der­art der Ero­si­on vor­zu­beu­gen, nicht nur Feuch­tig­keit zu lie­ben, son­dern sogar häu­fi­gen Über­schwem­mun­gen stand­zu­hal­ten und nicht zuletzt den bit­ter­kal­ten Win­tern im Land an der unte­ren Weich­sel trot­zen zu können.

Foto: Rein­hard Albers

Danzig

Der weit gefass­te Titel die­ses Kalen­der­blat­tes mag über­ra­schen, denn auf den ers­ten Blick neh­men die Betrach­ter ein­zel­ne Archi­tek­tur­par­tien wahr, die sich bes­ten­falls ver­schie­de­nen Dan­zi­ger Bau­wer­ken zuord­nen las­sen. Die­ser frag­men­ta­ri­sche Ein­druck gestat­tet es aber auch nicht, in übli­cher Wei­se die gezeig­ten Objek­te zu iden­ti­fi­zie­ren – oder wäre es pas­sen­der gewe­sen, für die­se Auf­nah­me die Über­schrift „Der Lan­ge Markt mit dem Artus­hof sowie die Mari­en­kir­che in Dan­zig“ zu wählen? 

Die For­mu­lie­rung des Titels wird plau­si­bler, wenn statt der kon­kre­ten Gegen­stän­de das Deu­tungs­an­ge­bot des Bil­des in den Fokus rückt. Der klei­ne Aus­schnitt, der vom Artus­hof sicht­bar wird, steht exem­pla­risch für des­sen viel­be­wun­der­te manie­ris­ti­sche Fas­sa­de, aber auch die bei­den reich ver­zier­ten Blend­gie­bel wol­len den Ein­druck von Reich­tum und Über­fluss erwe­cken, und die Dekor­elemente, die wie die Pilas­ter oder der Zier­o­be­lisk die Ver­ti­ka­le beto­nen, ver­stär­ken das Machtvoll-​​Himmelstrebende der schlan­ken Tür­me von St. Mari­en, so dass sich als durch­aus kohä­ren­tes Gan­zes letzt­lich ein Sinn-​​Bild von „Dan­zig“ ergibt.

Dass unser Foto solch eine plas­ti­sche Vor­stel­lung der Stadt ent­ste­hen lässt, setzt frei­lich einen Foto­gra­fen vor­aus, der aus den Frag­men­ten eine auch ästhe­tisch schlüs­si­ge Ein­heit formt, indem er bei der Auf­nah­me einen erhöh­ten Stand­punkt ein­nimmt, ein Tele­ob­jek­tiv benutzt und nicht zuletzt eine Per­spek­ti­ve ent­deckt, aus der die drei Tür­me har­mo­nisch in das Bild­ge­fü­ge inte­griert erscheinen.

Foto: Mar­cin S. Sadur­ski /​​ Ala­my Stock Foto

Die Ruine von Schloss Finckenstein, heute Kr. Deutsch Eylau

Jeden Besu­cher dürf­te die Rui­ne des Barock­schlos­ses Fin­cken­stein, das in der zwei­ten Hälf­te der 1710er Jah­re ent­stan­den ist, als Mahn­mal der Ver­gäng­lich­keit und als Sinn­bild für die ver­hee­ren­den Kräf­te des Krie­ges beein­dru­cken. Zugleich erscheint das Gan­ze aber auch in eigen­tüm­li­cher Wei­se „intakt“ zu sein. Der Bau­kör­per ist noch voll­stän­dig zu erken­nen und wirkt fast wie ein plan­voll ent­kern­ter Kom­plex, des­sen Wie­der­errich­tung kei­nes­wegs aus­ge­schlos­sen wäre. 

Dass der Gedan­ke an eine Rekon­struk­ti­on tat­säch­lich auf­kom­men könn­te, hängt mit einer Epi­so­de der euro­päi­schen – genau­er :  der französisch-​​­polnischen – Geschich­te zusam­men, in der die­ses Schloss gro­ße Bedeu­tung gewon­nen hat :  Im Vier­ten Koali­ti­ons­krieg hat­te Napo­le­on hier vom 1. April bis zum 6. Juni des Jah­res 1807, wor­auf die Tafel am Tor­pfos­ten eigens hin­weist, sein Haupt­quar­tier ein­ge­rich­tet – und erleb­te in die­ser Zeit zudem die inten­sivs­te Pha­se sei­ner Lie­bes­be­zie­hung mit der jun­gen pol­ni­schen Grä­fin Maria Walewska.

Aus die­ser Kon­stel­la­ti­on spei­sen sich denk­mal­pfle­ge­ri­sche Initia­ti­ven fran­zö­si­scher Stif­tun­gen, aber auch in Polen hat Schloss Fin­cken­stein mitt­ler­wei­le eine erheb­li­che Publi­zi­tät gewon­nen. Nicht zuletzt kom­men hier jähr­lich gan­ze Hun­dert­schaf­ten von Enthu­si­as­ten der Living ­Histo­ry zusam­men, um in his­to­ri­schen Uni­for­men zu para­die­ren und die Ankunft des Kai­sers leben­dig wer­den zu las­sen. War­um soll­te ein Schloss, das eine per­fek­te Kulis­se für die­ses Spek­ta­kel bie­tet, nicht gleich voll­stän­dig wiedererstehen ?

Foto: vivooo /​​ Shut­ter­stock

Die Mündung der Piasnitz in die Ostsee, Kr. Putzig

Der Tag neigt sich dem Abend zu, und letz­te Son­nen­strah­len las­sen den Sand am Ufer der Pias­nitz erglü­hen. Der Wol­ken­him­mel spie­gelt sich im ruhi­gen Was­ser des Flus­ses, der – gespeist aus kaschu­bi­schen Wald­seen nörd­lich von Neu­stadt – sei­nen etwa 28 km lan­gen Weg durch Moor­land­schaf­ten sowie den gro­ßen Zar­no­wit­zer See bis hin zur Mün­dung ins Meer sucht. Nach der letz­ten Bie­gung erreicht er nun die Wel­len der Ost­see, die sich ihm sacht ent­ge­gen­kräu­seln ;  ein Baum­stamm bleibt als Zeug­nis der Rei­se zurück.

In die­ser fried­li­chen Stim­mung kün­det nichts von jener legen­den­um­wo­be­nen Kata­stro­phe, die sich im Jah­re 1785 nur eine hal­be See­mei­le ent­fernt bei einem der berüch­tig­ten Herbst­stür­me ereig­ne­te und der das stol­ze bri­ti­sche Han­dels­schiff Gene­ral Car­le­ton of Whit­by zum Opfer fiel. Erst in den 1990er Jah­ren ent­deckt und erforscht, sind Fund­stü­cke heu­te im Natio­na­len Mari­ti­men Muse­um zu Dan­zig aus­ge­stellt, wäh­rend der Schiffrumpf selbst auf dem Mee­res­grund der natür­li­chen Kon­ser­vie­rung durch Ver­san­dung über­las­sen bleibt.

Die Pias­nitz, die vor 1920 die Gren­ze zwi­schen den Pro­vin­zen Pom­mern und West­preu­ßen, danach – bis 1939 – jene zwi­schen dem Deut­schen Reich und der Repu­blik Polen gebil­det hat, ist heu­te tou­ris­tisch für Kanu­sport­ler erschlos­sen, und ihr Mün­dungs­be­reich erfreut sich bei Strand­ur­lau­bern gro­ßer Beliebt­heit. Sie wer­den, des­sen darf sich der Betrach­ter des Bil­des sicher sein, die­sen jetzt stil­len Ort am nächs­ten Mor­gen wie­der mit fröhlich-​​quirligem Leben erfüllen.

Foto: Step­mark /​​ Ala­my Stock Foto

Der Marktplatz von Dirschau

Als Namens­ge­be­rin der „Dir­schau­er Brü­cke“ genießt die Stadt all­ge­mei­ne Bekannt­heit, denn jene 1857 eröff­ne­te Brü­cke, durch die die Visi­on der Preu­ßi­schen Ost­bahn erst voll­stän­dig Wirk­lich­keit wer­den konn­te, wird zu Recht bis heu­te als tech­ni­sche Pio­nier­leis­tung gerühmt. 

Die schon im 12. Jahr­hun­dert gegrün­de­te Stadt darf aber auch jen­seits ihres technik- und verkehrs­geschichtlichen Renom­mees Aufmerksam­keit bean­spru­chen :  sei es auf­grund des avan­cier­ten Kunst- und Kul­tur­zen­trums oder zwei­er sehens­wer­ter Depen­dan­cen des Natio­na­len Mari­ti­men Muse­ums Dan­zig, sei es auf­grund ihrer bei­den goti­schen Bau­denk­mä­ler, der Pfarr­kir­che zum Hl. Kreuz oder der ehe­ma­li­gen Klos­ter­kir­che der Domi­ni­ka­ner, deren schlan­ker acht­ecki­ger Turm in der Bild­mit­te unse­res Fotos zu sehen ist.

Hin­zu kommt frei­lich auch der Markt­platz, der in den letz­ten Jah­ren neu­ge­stal­tet wur­de. Ihn säu­men restau­rier­te Bür­ger­häu­ser aus dem 18. und 19. Jahr­hun­dert, deren Reprä­sen­ta­ti­vi­tät die Auf­nah­me durch die Unter­sicht eigens akzen­tu­iert. Dabei wird die anspre­chen­de Atmo­sphä­re des öffent­li­chen Raums nicht nur durch Pflan­zen und Ruhe­bän­ke, son­dern auch durch mun­te­re Was­ser­spie­le sowie auf hohen Sockeln auf­ge­stell­te Sta­tu­en geschaf­fen. Sie sind ihrer­seits den Alle­go­rien der vier Jah­res­zei­ten nach­ge­bil­det, die die Fas­sa­de des Hau­ses auf der rech­ten Sei­te krö­nen. Das Haus lin­ker Hand, vor dem die Per­so­ni­fi­ka­ti­on des Som­mers steht, ist eben­falls her­vor­zu­he­ben, denn dort wur­de der Natur­wis­sen­schaft­ler und Welt­erkun­der Johann Rein­hold Fors­ter (1729–1798) geboren.

Foto: 123rf​.com

Das Gebäude der Hauptpost von Thorn

Die Thor­ner Haupt­post, die neben der Heilig-​​Geist-​​Kirche die West­sei­te des Alt­städ­ti­schen Markts begrenzt, rückt hier aus einer nicht all­täg­li­chen Per­spek­ti­ve in den Blick, denn auf die­se Wei­se lässt sie sich nur betrach­ten, wenn sie vom Turm des Rat­hau­ses aus durch ein Tele­ob­jek­tiv foto­gra­fiert wird. Dass dabei zugleich die Rück­sei­te des Wim­pergs sowie des­sen flan­kie­ren­de Fia­len, die am Rat­haus den Mit­tel­ri­sa­li­ten der West­fas­sa­de bekrö­nen, prä­gnant sicht­bar wer­den, erhöht sicher­lich noch die Ori­gi­na­li­tät die­ser Aufnahme.

Von 1881 bis 1884 ent­stand das präch­ti­ge, 1891 noch­mals erwei­ter­te Gebäu­de, das zum einen die stän­dig wach­sen­de Nach­fra­ge nach Post­diens­ten befrie­di­gen konn­te und auf die Anfor­de­run­gen, die aus den tech­ni­schen Inno­va­tio­nen der Kom­mu­ni­ka­ti­ons­mit­tel resul­tier­ten, zuge­schnit­ten war. Zum ande­ren ent­sprach es der Idee der ­„Post­paläste“, die unter dem Gene­ral­post­meis­ter Hein­rich von Ste­phan ent­stan­den, um die „Reichs­post“, die nach der Reichs­grün­dung ein­zi­ge fast lan­des­weit prä­sen­te Ver­wal­tung, als staats­po­li­tisch inte­grie­ren­de Kraft zu etablieren.

Der renom­mier­te Archi­tekt des auf­wän­di­gen Thor­ner Zweck­baus, Johan­nes Otzen, folg­te den Vor­stel­lun­gen der Neu­ro­ma­nik, wäh­rend sich Fer­di­nand von Quast, auf den der 1869 errich­te­te Risa­lit an der West­sei­te des Rat­hau­ses zurück­geht, an der Neu­go­tik ori­en­tier­te. Dadurch erschei­nen die­se bei­den sti­lis­ti­schen Grund­kräf­te des His­to­ris­mus auf unse­rer Auf­nah­me nun eben­so span­nungs­voll wie har­mo­nisch mit­ein­an­der verbunden.

Foto: Piotr Diehl

Die St. Stanislaus-​​Kirche von Schwetz

Eben­so wie Bücher haben oft auch Foto­gra­fien ihre eige­ne Geschich­te. Die hier zu erzäh­len­de han­delt von einem Rei­sen­den, der in der Weich­sel­nie­de­rung zufäl­lig eine präch­tig illu­mi­nier­te goti­sche Kir­che ent­deckt :  Ohne irgend­ei­nen bau­li­chen Kon­text wirkt sie auf ihn wie eine strah­len­de sur­rea­le Erschei­nung, und das Bild erin­nert ihn in sei­ner Sinn­of­fen­heit an ein Gemäl­de von Cas­par David Friedrich.

Bald lässt sich in Erfah­rung brin­gen, dass die stän­dig von Über­schwem­mun­gen bedroh­te Stadt Schwetz nach dem Hoch­was­ser des Jah­res 1858 an eine erhöh­te Lage ver­legt wur­de und am frü­he­ren Ort nur noch die im 14. und 15. Jahr­hun­dert errich­te­te Pfarr­kir­che St. Sta­nis­laus sowie die benach­bar­te Rui­ne des Deutsch­or­dens­schlos­ses von einer bis dahin 500 Jah­re wäh­ren­den Pha­se der Stadt­ge­schich­te kündeten.

Nun bemüht sich der Rei­sen­de als rou­ti­nier­ter Foto­graf, sei­ne Impres­sio­nen fest­zu­hal­ten. Dazu beob­ach­tet er zu ver­schie­de­nen Tages­zei­ten das Chan­gie­ren der Helligkeits- und Farb­wer­te und wählt eine Per­spek­ti­ve, aus der das Traumhaft-​​Visionäre der ein­sa­men Kir­che in der Wei­te der Land­schaft ein­ge­fan­gen wird und sich zugleich das Bau­werk in sei­ner Staf­fe­lung vom gera­de geschlos­se­nen Chor und der ange­füg­ten Sakris­tei über das Lang­haus bis zum qua­dra­ti­schen Turm mit den bei­den geschweif­ten Gie­beln opti­mal über­bli­cken lässt. So ent­steht eine gan­ze Foto-​​Serie, die, von Kom­men­ta­ren beglei­tet, im Inter­net ver­öf­fent­licht ist – und aus der am Ende die­ser Geschich­te ­unse­re Auf­nah­me schließ­lich aus­ge­wählt wurde.

Foto: worl​dis​beau​tiful​.eu

Die Stadt Kulm

Schon seit den 1990er Jah­ren wirbt Kulm, in des­sen Mau­ern eine Reli­quie des Hl. Valen­tin auf­be­wahrt wird, als „Stadt der Ver­lieb­ten“ um Tou­ris­ten ;  aller­dings ver­lohnt Kulm auch jen­seits der jähr­li­chen Fest­ver­an­stal­tun­gen um den 14. Febru­ar – und auch gänz­lich unab­hän­gig von der indi­vi­du­el­len Gefühls­la­ge – einen aus­führ­li­chen Besuch. 

Unser Schräg­bild, das nach Osten hin – in Rich­tung Reh­den – auf­ge­nom­men wur­de, gibt ­einen treff­li­chen Ein­druck von dem bis heu­te erhal­te­nen mit­tel­al­ter­li­chen Stadt­bild und dem Reich­tum an Bau­denk­mä­lern der frü­hen Back­stein­go­tik, der im Ordens­land nur mit dem­je­ni­gen von Thorn ver­gleich­bar ist. Dazu gehö­ren bei­spiels­wei­se das ehe­ma­li­ge Zisterzienserinnen-​​Kloster, das sich im Vor­der­grund unmit­tel­bar an der Stadt­mau­er ent­lang­zieht, die ober­halb davon sicht­ba­re frü­he­re Klos­ter­kir­che des Franziskaner-​​Ordens oder die von dort wie­der­um rech­ter Hand gele­ge­ne Pfarr­kir­che St. Marien.

Über­dies gibt die Auf­nah­me die weit­ge­hen­de Geschlos­sen­heit des zum Teil auch noch turm­be­wehr­ten Mauer-​​Rings zu erken­nen. Die Weit­räu­mig­keit der von ihm umge­be­nen Stadt­an­la­ge macht anschau­lich, dass die frü­he­re Hanse-​​Stadt Kulm mit ihren 15.000 Ein­woh­nern bis zur Mit­te des 15. Jahr­hun­derts zu den gro­ßen Städ­ten des Mit­tel­al­ters gehör­te. Danach begann ein mehr als drei Jahr­hun­der­te wäh­ren­der Nie­der­gang ;  und trotz der nach­fol­gen­den Erho­lung wird die dama­li­ge Ein­woh­ner­zahl von der heu­ti­gen in kaum nen­nens­wer­ter Höhe über­schrit­ten – im Blick auf den Denk­mal­schutz lie­ße sich ergän­zen :  zum Glück !

Foto: Rs10cel /​​ Dream​sti​me​.com

Das „Gutshaus unter den Linden“ in Rahmel, Kr. Neustadt

Weni­ge Kilo­me­ter nord­west­lich von Gdin­gen liegt Rah­mel, das urkund­lich schon Anfang des 13. Jahr­hun­derts als Besitz­tum des Klos­ters Oli­va Erwäh­nung gefun­den hat – und inzwi­schen als Mit­tel­stadt mit den jeweils direkt anschlie­ßen­den Ort­schaf­ten Rhe­da und Neu­stadt zur „klei­nen kaschu­bi­schen Drei­stadt“ zusam­men­ge­wach­sen ist. Im dor­ti­gen Stadt­park zieht das „Guts­haus unter den Lin­den“ die Bli­cke der Spa­zier­gän­ger auf sich und lädt sie sogar zum Besuch des Gebäu­des ein ;  denn es beher­bergt das Kul­tur­haus der Kommune.

Auf dem Gelän­de befand sich bereits früh eine Was­ser­schmie­de ;  und eine Schmie­de blieb an die­sem Ort über lan­ge Zeit bestehen. Erst 1887 rück­te an ihre Stel­le eine Holz­werk­statt, die der letz­te Besit­zer vor dem Kriegs­en­de, Richard Kusche, zur Pro­duk­ti­on von Streich­höl­zern nutz­te. Nach 1945 über­nahm schließ­lich eine Genos­sen­schaft die Fabrik­ge­bäu­de und rich­te­te dort eine Metz­ge­rei und ver­schie­de­ne Lager­stät­ten ein.

Nach der Wen­de von 1989/​​90 erwie­sen sich die­se Unter­neh­men aller­dings als unren­ta­bel ;  und das Her­ren­haus, das die dama­li­gen Besit­zer, eine Fami­lie Hil­de­brandt, vor der Mit­te des 19. Jahr­hun­derts hat­ten errich­ten las­sen und das zu einem Ver­wal­tungs­ge­bäu­de umge­baut wor­den war, fand nun als Bau­denk­mal der Stadt­ge­schich­te gro­ße Wert­schät­zung :  Es wur­de voll­stän­dig reno­viert, erhielt dabei sein ursprüng­li­ches Aus­se­hen zurück und gewann durch die Anla­ge des umlie­gen­den Parks so viel Attrak­ti­vi­tät, dass es nun sogar als idyl­li­sches Motiv eines Monats­kalenders geeig­net erscheint.

Foto: Cho­j­nice na fotografiach

Die Stadt Konitz

Der nach Nor­den gerich­te­te Blick bestä­tigt, dass die Auf­nah­me eines abend­lich ange­strahl­ten Orts­kerns einen ganz eige­nen Reiz aus­übt. Die Gebäu­de gewin­nen unab­hän­gig von ihrer jewei­li­gen Fas­sa­den­ge­stal­tung eine wohl­tu­en­de Ein­heit­lich­keit. Zudem bringt die Beleuch­tung glei­cher­ma­ßen die har­mo­ni­sche Geschlos­sen­heit des Markt­plat­zes wie die trutzig-​​machtvolle Gedrun­gen­heit der um die Mit­te des 14. Jahr­hun­derts errich­te­ten Pfarr­kir­che St. Johan­nis Ent­haup­tung zur Gel­tung. Dahin­ter lie­gen die ehe­ma­li­ge Jesui­ten­kir­che aus dem frü­hen 18. Jahr­hun­dert und das direkt anschlie­ßen­de – schon seit 1773 schu­li­schen Zwe­cken die­nen­de – Kon­vents­ge­bäu­de, die das Gesamt­ensem­ble des his­to­ri­schen Zen­trums abrunden.

Außer den bei­den Kir­chen ver­mag die strah­len­de Alt­stadt von Konitz noch nicht auf eine län­ge­re Geschich­te zurück­zu­bli­cken. Die öko­no­mi­sche und sozia­le Ent­wick­lung der Kom­mu­ne hat erst im letz­ten Drit­tel des 19. Jahr­hun­derts ein­ge­setzt. Ab 1890 wur­den, mit dem Mark­platz begin­nend, die wich­tigs­ten Stra­ßen gepflas­tert, die angren­zen­den alten Häu­ser mach­ten grö­ße­ren und moder­ne­ren Gebäu­den Platz, und 1901 /​​ 02 ent­stand schließ­lich im damals zeit­ge­mä­ßen neo­go­ti­schen Stil das mar­kan­te Stadthaus.

Im Hin­ter­grund wird der wei­te­re städ­ti­sche Lebens­raum mit dem Vil­len­vier­tel und den Wohn­sied­lun­gen sicht­bar. Dazu gehört pro­mi­nent das Sta­di­on des 1930 gegrün­de­ten, natio­nal durch­aus erfolg­rei­chen Fuß­ball­clubs, des­sen Flut­licht­an­la­ge einen eigen­wil­li­gen Kon­trast zum Glanz der Alt­stadt bildet.

Foto: Hen­ryk Sadu­ra /​​ Ala­my Stock Foto

An der Mühleninsel in der Danziger Altstadt

Das soll Dan­zig sein ? Wer sich von die­ser anhei­meln­den, bei­na­he dörf­lich anmu­ten­den Fachwerk-​​Idylle in den Bann zie­hen lässt, könn­te dies mit Recht fra­gen. Ver­ges­sen sind die geschäf­ti­ge Betrieb­sam­keit und all das Lär­men wäh­rend der letz­ten Tage des aus­klin­gen­den Jah­res. Wie ver­zau­bert liegt der Ort unter einer zar­ten Schnee­de­cke, und da selbst der Ver­kehr auf der quer ver­lau­fen­den Stra­ße ruht, scheint nichts die­se Stil­le stö­ren zu können.

Die­se Stim­mung lässt sich mit der Foto­ka­me­ra ein­fan­gen, wenn die im Radaune-​​Kanal lie­gen­de Müh­len­in­sel von der Hevelius-​​Grünanlage aus nach Osten hin ins Blick­feld genom­men wird. Gemein­hin wird die beschau­li­che Insel in der Alt­stadt mit dem eben­falls in Fach­werk errich­te­ten Zunft­haus der Mül­ler asso­zi­iert, das auf der Süd­spit­ze, an der Gabe­lung des Gewäs­sers, steht und dort ein äußerst belieb­tes Foto-​​Sujet bildet.

Die hier gewähl­te Ansicht ver­mag damit aber gewiss zu kon­kur­rie­ren ;  denn sie bie­tet nicht nur ein höchst pit­to­res­kes Motiv, son­dern inte­griert auch die benach­bar­ten Bau­denk­mä­ler orga­nisch in das Gesamt­bild. Dies gilt auf der rech­ten Sei­te für die Gro­ße Müh­le und die dahin­ter auf­tau­chen­de Sakris­tei der Katha­ri­nen­kir­che gleich­wie im mitt­le­ren Hin­ter­grund für die Bri­git­ten­kir­che :  Von ihr ist neben den erleuch­te­ten Fas­sa­den des Chors und des süd­li­chen Sei­ten­schif­fes zudem das nörd­li­che Sei­ten­schiff sicht­bar – und es scheint gera­de­zu, als wür­de die Glo­cken­hau­be ihres Turms mit dem Dach des Gebäu­des im Vor­der­grund verschmelzen.

Die pol­ni­schen Text fin­den sich hier.