Vom 23. bis zum 25. Sep­tem­ber fand in der Waren­dor­fer Tagungs­stät­te DEULA der dies­jäh­ri­ge Westpreußen-​​Kongress statt. Dabei bil­de­te „Das West­preu­ßi­sche Kapi­tel der neue­ren Umwelt­ge­schich­te“ das the­ma­ti­sche Zen­trum der Vor­trä­ge und Diskussionen.

Ein wich­ti­ges Motiv für die Wahl die­ses Gegen­stan­des bil­de­te – wie der Tagungs­lei­ter, Prof. Dr. Erik Fischer, in sei­ner Ein­füh­rung erläu­ter­te – der Todes­tag von Hugo Con­w­entz, der sich am 12. Mai zum 100. Male gejährt hat­te. Der aus Dan­zig stam­men­de Con­w­entz war 1880 zum ers­ten Direk­tor des „West­preu­ßi­schen Pro­vin­zi­al­mu­se­ums“ in Dan­zig beru­fen wor­den und wur­de zu einem ent­schei­den­den Initia­tor des deut­schen (spä­ter­hin auch des euro­päi­schen) Natur­schut­zes, weil es ihm gelang, die Ein­rich­tung einer „Staat­li­chen Stel­le für Natur­denk­mals­pfle­ge“ in Preu­ßen zu errei­chen: Sie wur­de 1906 geschaf­fen und von ihm als staat­li­cher Kom­mis­sar zunächst von Dan­zig, dann von Ber­lin aus haupt­amt­lich geleitet.

Die­ses Gedenk­jahr bot mit­hin einen will­kom­me­nen Anlass für eine Kongress-​​Thematik, deren drän­gen­de Aktua­li­tät unüber­seh­bar ist, deren Per­spek­ti­ven sich des­halb auch nicht allein auf die Grün­der­fi­gur Con­w­entz fokus­sie­ren soll­ten. Das zugrun­de lie­gen­de Kon­zept ließ sich anhand der ein­zel­nen Kom­po­nen­ten der Titel­for­mu­lie­rung erläutern:

  • „Schutz der Natur“ ruft noch nicht den „fer­ti­gen“ Begriff „Umwelt­schutz“ auf, son­dern deu­tet die Offen­heit an, mit der Strö­mun­gen in Wis­sen­schaft und Poli­tik im letz­ten Drit­tel des 19. Jahr­hun­derts ver­su­chen, auf die zuneh­men­den, vor­nehm­lich durch die Indus­tria­li­sie­rung her­vor­ge­ru­fe­nen Gefähr­dun­gen und Schä­di­gun­gen der Natur zu reagieren.
  • Die geo­gra­phi­sche Bezeich­nung „an der unte­ren Weich­sel“ signa­li­siert, dass auch die Geschich­te und Gegen­wart der pol­ni­schen Akti­vi­tä­ten des Natur­schut­zes in die­ser Regi­on, die Aus­wahl und Ein­rich­tung von „Natur­schutz­ge­bie­ten“ bzw. „Natio­nal­parks“, aus­führ­lich zur Spra­che kom­men sollen.
  • Dass von einem „west­preu­ßi­schen Kapi­tel“ der Umwelt­ge­schich­te gespro­chen wird, ist einer­seits geo­gra­phisch, ande­rer­seits aber auch poli­tisch begrün­det, weil es 1879 den deut­schen Akteu­ren dezi­diert dar­um ging, die wie­der selbst­stän­dig gewor­de­ne Pro­vinz „West­preu­ßen“ als eigen­stän­di­gen Natur- und Kul­tur­raum zu fas­sen. Schlüs­sel­wör­ter für die­ses Bemü­hen bil­den die Begrif­fe „Inven­ta­ri­sie­rung“ und „Lan­des­durch­for­schung“.
  • Die Ein­bet­tung des west­preu­ßi­schen Kapi­tels in die Umwelt­ge­schich­te öff­net schließ­lich die Per­spek­ti­ve auf die – um 1970 erfolg­te – Aus­wei­tung des Natur­schut­zes zum Umwelt­schutz und auf die heu­ti­gen his­to­rio­gra­phi­schen Ansät­ze der „Umwelt­ge­schich­te“. Damit rückt zudem Umwelt­schutz seit 1990 als eine euro­päi­sche The­ma­tik in den Blick, die gera­de auch als Gegen­stand grenz­über­schrei­ten­der Part­ner­schafts­po­li­tik zu erör­tern ist.

Ange­sichts der unaus­weich­li­chen Not­wen­dig­keit, zunächst eine Ver­stän­di­gung über die schil­lern­de, oft wider­sprüch­li­che Bedeu­tung des Begriffs „Natur“ her­bei­zu­füh­ren, über­nahm Prof. Dr. Klaus Leh­mann, Sankt Augus­tin, in sei­nem Eröff­nungs­vor­trag unter dem Titel „‚Natur‘ als Dis­kurs­frag­ment“ die Auf­ga­be, „His­to­ri­sche und aktu­el­le Beob­ach­tun­gen zum Spre­chen über ‚Öko­lo­gie‘” anzu­stel­len. Aus sprach­wis­sen­schaft­li­cher Per­spek­ti­ve, so ver­mit­tel­te er zu Beginn, erhält „Natur“ in einem Geflecht von ver­wand­ten und ent­ge­gen­ge­setz­ten Begrif­fen sei­ne spe­zi­fi­sche inhalt­li­che Auf­la­dung. Die­se all­ge­mei­nen wis­sen­schaft­li­chen Vor­be­mer­kun­gen gewan­nen für die Zuhö­re­rin­nen und Zuhö­rer unmit­tel­ba­re Anschau­lich­keit durch die nach­fol­gen­den Betrach­tun­gen zu „Pfis­ters Müh­le“ von Wil­helm Raa­be. In die­ser Erzäh­lung aus den Jah­ren 1883/​​84, die als ers­tes deutsch­spra­chi­ges lite­ra­ri­sches Zeug­nis von Umwelt­ver­schmut­zung gel­ten kann, tre­ten von Beginn an zwei Natur­be­grif­fe zuein­an­der in Kon­kur­renz : Auf der einen Sei­te steht, so der text­ana­ly­ti­sche Befund von Klaus Leh­mann, die Vor­stel­lung einer vom Men­schen unbe­rühr­ten Natur, die im Ver­lau­fe der Erzäh­lung immer stär­ker mora­li­sches Gewichts gewinnt, auf der ande­ren Sei­te der Gedan­ke eines wis­sen­schaft­li­chen Fort­schritts, der künst­lich in die natür­li­che Pro­zes­se ein­greift, sie gestal­tet oder auch auf che­mi­schem Wege verändert.

Wie die­se kon­trä­ren Vor­stel­lun­gen von „Natur“ die Dis­kus­sio­nen bis heu­te prä­gen, war Gegen­stand der anschlie­ßen­den ein­drück­li­chen Dar­le­gun­gen. Je nach his­to­ri­schem Zusam­men­hang gewin­nen sie kri­tisch eman­zi­pa­to­ri­sche, kon­ser­va­ti­ve oder auch nor­mie­rend auto­ri­tä­re, mit­un­ter gar rassisch-​​völkische Impli­ka­tio­nen. Der Vor­trag ende­te mit dem Gedan­ken, in dem Begriff der „Nach­hal­tig­keit“ eine alter­na­ti­ve, mög­li­cher­wei­se bes­se­re Bemes­sens­grund­la­ge jen­seits der kon­kur­rie­ren­den Natur­vor­stel­lun­gen zu suchen. Auf die­se Wei­se lie­ßen sich gesell­schaft­li­ches Han­deln und öko­lo­gi­sche Sta­bi­li­tät in einer lang­fris­ti­gen Per­spek­ti­ve zu einem Aus­gleich bringen.

Am Sams­tag, dem 24. Sep­tem­ber, bot zunächst Dr. Hans-​​Werner Frohn, Königs­win­ter, der Wis­sen­schaft­li­che Lei­ter der Stif­tung Natur­schutz­ge­schich­te, grund­le­gen­de Infor­ma­tio­nen über „Hugo Con­w­entz und den his­to­ri­schen Kon­text die­ser ‘Grün­der­fi­gur‘“. Er lud sei­ne Zuhö­re­rin­nen und Zuhö­rer zu einer bio­gra­phi­schen Rei­se ein, die in Dan­zig begann, über Bres­lau und Göt­tin­gen dort­hin zurück­führ­te und schließ­lich – mit Aus­flü­gen in die preu­ßi­schen Pro­vin­zen und nach Bern – für lan­ge Zeit Halt in Ber­lin mach­te. Auf die­sem Wege wur­den bei­spiels­wei­se die grund­le­gen­den Begrif­fe aus dem – metho­disch höchst ein­fluss­rei­chen – „Forst­bo­ta­ni­schen Merk­buch für West­preu­ßen“ (1900) erschlos­sen; und, aus­ge­hend von der Denk­schrift „Die Gefähr­dung der Natur­denk­mä­ler und Vor­schlä­ge zu ihrer Erhal­tung“ aus dem Jahr 1904, fan­den die Pro­zes­se, die letzt­lich zur Ein­rich­tung des staat­li­chen Natur­schut­zes in Preu­ßen führ­ten, eben­so aus­führ­li­che Berück­sich­ti­gung wie die ab 1906 ein­set­zen­de Ent­wick­lung der wis­sen­schaft­li­chen und admi­nis­tra­ti­ven Ver­fah­ren für die Arbeit der Staat­li­chen Stel­le für Naturdenkmalspflege.

Über die kri­ti­schen Argu­men­te, die aus Krei­sen des zivil­ge­sell­schaft­li­chen Natur­schut­zes gegen die Inten­tio­nen jener Staat­li­chen Stel­le vor­ge­bracht wur­den, und Con­w­entz‘ pro­ble­ma­ti­schen Rück­zug von inter­na­tio­na­len Koope­ra­ti­ons­an­ge­bo­ten auf die Bestim­mung des Natur­schut­zes als einer „natio­na­len Pflicht“ gelang­te der Refe­rent zu einem ambi­va­len­ten Resü­mee: Ohne die inno­va­to­ri­schen Leis­tun­gen der „Grün­der­fi­gur“ in Abre­de stel­len zu wol­len, wies er dar­auf hin, dass das insti­tu­tio­nel­le Ergeb­nis der Bemü­hun­gen letzt­lich eine „Fehl­ge­burt“ gewe­sen sei, weil sich der Schutz von Natur und Land­schaft mit nahe­zu aus­schließ­lich ehren­amt­lich täti­gem Per­so­nal nicht hät­te gewähr­leis­ten las­sen. So sei Con­w­entz im Grun­de – mit einer For­mu­lie­rung von Hans Klo­se, einem sei­ner frü­he­ren Assis­ten­ten – ein „Gene­ral“ gewe­sen, dem es letzt­lich an Trup­pen fehlte.

In sei­nem anschlie­ßen­den Vor­trag über „‚Inven­ta­ri­sie­rung‘ und ‚Durch­for­schung‘“ bemüh­te sich der Tagungs­lei­ter, der als „Lücken­bü­ßer“ ein Refe­rat über­nom­men hat­te, „Hugo Con­w­entz bei der Arbeit“ zu beob­ach­ten. Dabei rich­te­te er sein Augen­merk aus­drück­lich auf die west­preu­ßi­sche Pha­se sei­nes Wir­kens. Dazu zog er zunächst die Berich­te des im März 1878 gegrün­de­ten West­preu­ßi­schen Botanisch-​​Zoologischen Ver­eins zu Dan­zig her­an, dem Hugo Con­w­entz, zu die­ser Zeit noch als Assis­tent in Bres­lau beschäf­tigt, bereits als Grün­dungs­mit­glied ange­hör­te. In die­sem Kon­text schil­der­te der Refe­rent einer­seits die Selbst­be­schrei­bung des Ver­eins sowie die Kon­flik­te, die das Her­aus­lö­sen eines eige­nen west­preu­ßi­schen Ver­ban­des aus dem bis dahin ein­heit­lich Preu­ßi­schen Bota­ni­schen Ver­eins her­vor­rief; ande­rer­seits ver­mit­tel­te er einen Ein­druck von der Fül­le und Dich­te der For­schungs­ak­ti­vi­tä­ten, die von einer erstaun­lich gro­ßen Zahl der Mit­glie­der mit­ge­tra­gen wurde.

Sodann wand­te er sich den päd­ago­gisch und didak­tisch fun­dier­ten Bemü­hun­gen zu, mit denen der Direk­tor des Pro­vin­zi­al­mu­se­um vie­le Gre­mi­en von den Ideen des Natur­schut­zes zu über­zeu­gen und sie als Mul­ti­pli­ka­to­ren für die Wei­ter­ver­brei­tung zu gewin­nen. Par­al­lel dazu sorg­te Con­w­entz dafür, dass in jedem Klas­sen­raum von ihm kon­zi­pier­te Schau­ta­feln auf­ge­hängt wur­den und Schu­len mög­lichst eine Samm­lung anleg­ten, damit die Schü­ler kon­kre­tes Anschau­ungs­ma­te­ri­al zur Ver­fü­gung hät­ten. Ange­sichts die­ses uner­müd­li­chen Enga­ge­ments, bei der Bevöl­ke­rung, die Fas­zi­na­ti­on für die Natur der Pro­vinz West­preu­ßen zu wecken, alle Men­schen zu auf­merk­sa­men Beob­ach­tern – und Wäch­tern – zu machen und der­art die Hei­mat­lie­be fest zu ver­an­kern, zog der Refe­rent den Schluss, dass Con­w­entz auf der Ebe­ne des preu­ßi­schen Staa­tes wohl ein „Gene­ral ohne Armee“ gewe­sen sein mag, dass er als pas­sio­nier­ter West­preu­ße aber für sei­ne Sache höchst erfolg­reich qua­si eine „Levée en mas­se“, eine Rekru­tie­rung aller Bür­ger, betrie­ben habe.

Am Nach­mit­tag stand eine Exkur­si­on nach Waren­dorf auf dem Pro­gramm. Die in zwei Grup­pen auf­ge­teil­ten Teil­neh­mer hat­ten dabei umschich­tig jeweils die Mög­lich­keit, einer­seits das West­preu­ßi­schen Lan­des­mu­se­um zu besu­chen – dort lief zu die­ser Zeit unter dem Titel „Mit Merk­buch, Denk­schrift, Kame­ra“ eine Aus­stel­lung, die „zwei Pio­nie­ren des Natur­schut­zes in Preu­ßen, und zwar Hugo Con­w­entz und Her­mann Reich­ling, gewid­met war – und ande­rer­seits Ein­bli­cke in ein kon­kre­tes Natur­schutz­pro­jekt der Stadt zu gewin­nen: Bei einer Füh­rung erläu­ter­te Peter Pesch, der Lei­ten­de Bau­di­rek­tor von Waren­dorf, das Vor­ha­ben der „Neu­en Ems“, des­sen Name in gewis­ser Wei­se irre­füh­rend sei, weil es eigent­lich um die Rück­füh­rung des Flus­ses in sein altes Fluss­bett – und somit eher um die „Alten Ems“ – gehe.

An mar­kan­ten Punk­ten des Innen­stadt­be­reichs zeig­te der Lei­ter des Bau­amts anschau­lich, wel­che zahl­rei­chen posi­ti­ven Effek­te zu erzie­len sind, wenn im Rah­men die­ser Maß­nah­me durch eine Lauf­ver­län­ge­rung der Ems, eine Auf­wei­tung des Gewäs­sers und die Her­stel­lung von Sekun­där­au­en­be­rei­che zu erzie­len sind: Die Rena­tu­rie­rung der Ems ver­mag den Hoch­was­ser­schutz für die gesam­te Innen­stadt zu för­dern, den Fluss und den Ems­see öko­lo­gisch zu ver­bes­sern, die öko­lo­gi­sche Durch­gän­gig­keit wie­der­her­zu­stel­len und den Bür­gern Mög­lich­kei­ten einer Nah­erho­lung in einem natur­na­hen Lebens­raum zu eröffnen.

Nach die­sem Aus­flug in die sozu­sa­gen hand­greif­li­che Pra­xis eines kom­mu­na­len Pro­jek­tes bot der abend­li­che Vor­trag von Bry­gi­da Gawron-​​Strazzer, Elb­ing, der das Pro­gramm die­ses Tages beschloss, einen Ein­blick in die aktu­el­le Pra­xis des Natur­schut­zes in Polen, denn er wid­me­te sich den„Naturschutzgebiete in der Woi­wod­schaft Pomor­ze“ (d. h. im nörd­li­chen Teil der ehe­ma­li­gen Pro­vinz West­preu­ßen). Da die Refe­ren­tin in die­sen Gebie­ten selbst über lang­jäh­ri­ge Erfah­run­gen mit der Beglei­tung und Füh­rung von Rei­se­grup­pen ver­fügt, konn­te sie mit ihren Schil­de­run­gen die sehr unter­schied­li­chen, selbst noch jeweils spe­zi­el­le Reser­va­te umfas­sen­den Natur­schutz­ge­bie­te – die von Hela, über die Drei­stadt und die Kaschub­ei bis zur Elb­in­ger Höhe und Fri­schen Neh­rung rei­chen – detail­liert vor­stel­len. Dabei gab sie dif­fe­ren­zier­te Hin­wei­se auf die Eigen­hei­ten der Parks und Land­schafts­for­ma­tio­nen sowie auf die Fau­na und Flo­ra, ins­be­son­de­re auf die beson­ders sel­te­nen und schüt­zen­wer­ten Tier und Pflan­zen. Die­se abwechs­lungs­rei­chen Aus­füh­run­gen hin­ter­lie­ßen nicht zuletzt auch des­halb einen star­ken Ein­druck, weil sie von einer Fül­le fas­zi­nie­ren­der, pro­fes­sio­nell auf­ge­nom­me­ner Natur­fo­to­gra­fien beglei­tet wurden.

Am Sonn­tag­vor­mit­tag setzt Dr. Adri­an Mit­ter, Toron­to, die Pro­gramm­fol­ge fort; in sei­nem vir­tu­el­len Vor­trag sprach er über das The­ma „Kampf um die Weich­sel? Ein Fluss und sei­ne Ufer zwi­schen Dan­zig, Deutsch­land und Polen (1840–1945)“. Sei­ne Power-​​Präsentation setz­te mit dem Jahr­hun­dert­ereig­nis des Weich­sel­durch­bruchs ein, der sich 1840 in der Nähe von Schie­wen­horst ereig­ne­te und einen ent­schei­den­den Impuls für jahr­zehn­te­lan­ge Bemü­hun­gen um die Regu­lie­rung des Stroms gab; denn weder der Durch­bruch noch der spä­te­re Durch­stich der Weich­sel (1895) ver­moch­ten deren Del­ta kei­nes­wegs vor Hoch­was­ser zu schützen.

Ein regel­rech­ter „Kampf“ um den Fluss ent­brann­te dann anschei­nend unaus­weich­lich auf­grund der 1920 umge­setz­ten Bestim­mun­gen des Ver­sailler Ver­tra­ges; denn das Weich­sel­ufer war nun fast voll­stän­dig pol­nisch gewor­den, wäh­rend das Weich­sel­del­ta fast aus­schließ­lich auf Dan­zi­ger Gebiet lag. Dif­fe­ren­ziert schil­der­te der Refe­rent die wirt­schaft­li­chen, poli­ti­schen, juris­ti­schen und nicht zuletzt ideo­lo­gi­schen Moti­ve, von den sich die Anrai­ner­staa­ten lei­ten lie­ßen und die natur­ge­mäß zu man­nig­fa­chen Kon­flik­ten führ­ten. Er berich­te­te aber auch von der Ein­rich­tung und Struk­tur des „Rats für den Hafen und die Was­ser­we­ge der Frei­en Stadt Dan­zig“, des „Hafen­rats“, der die Auf­ga­ben der preu­ßi­schen Strom­bau­ver­wal­tung über­nahm und der zu einer Koope­ra­ti­on zwi­schen Dan­zig und Polen führ­te, weil es hier tat­säch­lich gelang, der gemein­sa­men Arbeit für den Hoch­was­ser­schutz einen höhe­ren Rang als poli­ti­sche Eitel­kei­ten einzuräumen.

Den abschlie­ßen­den Vor­trag des Kon­gres­ses hielt Prof. Dr. Bet­ti­na Schlü­ter, Bonn, die, von einer genau­en Conwentz-​​Lektüre aus­ge­hend, die his­to­ri­sche Per­spek­ti­ve auf die Gegen­wart hin öff­ne­te. Ihre The­ma lau­te­te: „Vom Natur­denk­mal der west­preu­ßi­schen Eibe zum Bio­sphä­ren­re­ser­vat Tuche­ler Hei­de. Die Ent­fal­tung von Kon­zep­ten zum Schutz von Natur und Umwelt“. Die frü­hen, archäo­lo­gisch, palä­on­to­lo­gisch und bota­nisch gepräg­ten Schrif­ten von Hugo Con­w­entz doku­men­tier­ten, so leg­te sie zu Beginn dar, den gedank­li­chen Ursprung, aus dem spä­ter die natio­na­len Bemü­hun­gen um Natur­schutz erwach­sen soll­ten: So, wie die Zeug­nis­se his­to­ri­scher Kul­tur­leis­tun­gen West­preu­ßens bewahrt und gepflegt wer­den, so soll­ten auch bedroh­te Bestän­de der alten Natur­land­schaft unter „Natur-​​Denkmalschutz“ gestellt werden.

Der Vor­trag spann­te sodann einen Bogen von Con­w­entz‘ pro­gram­ma­ti­schen Impul­sen über die nach dem Zwei­ten Welt­krieg initi­ier­ten inter­na­tio­na­len Abkom­men und Pro­gram­me (wie das Weltnaturerbe-​​Programm der UNESCO) bis zu den Bemü­hun­gen und Her­aus­for­de­run­gen der Gegen­wart. Auf ein­leuch­ten­de Wei­se rekon­stru­ier­ten die Aus­füh­run­gen dabei den Weg, auf dem sich Natur­schutz­maß­nah­men im Wis­sen um öko­lo­gi­sche Zusam­men­hän­ge in ihren Dimen­sio­nen immer wei­ter aus­dehn­ten. Kenn­zeich­nend für die­se Ent­wick­lung ist, womit die Refe­ren­tin zum Aus­gangs­punkt ihres Vor­tra­ges zurück­kehr­te, das Schick­sal des Eiben-​​Bestandes der Tuche­ler Hei­de: Das Wald­ge­biet, für des­sen Erhalt als „Natur­denk­mal“ sich Con­w­entz gegen Ende des 19. Jahr­hun­derts erfolg­reich ein­setz­te, ist mitt­ler­wei­le ein­ge­bet­tet in ein 3.200 qkm umfas­sen­des Bio­sphä­ren­re­ser­vat – und damit Teil eines der jüngs­ten Umwelt­schutz­pro­jek­te auf euro­päi­schem Boden.

Die ange­reg­te Schluss­dis­kus­si­on, aber auch die Ant­wor­ten auf die – wie­der­um über eine Online-​​Befragung erho­be­ne – Eva­lua­ti­on zeig­ten, dass die Teil­neh­mer die Kongress-​​Thematik als loh­nend emp­fan­den und auch die kon­kre­te Durch­füh­rung ihren Erwar­tun­gen ent­spre­chen konn­te. – Die Vor­trä­ge des Kon­gres­ses wer­den im Jahr­gang 71/​​72 des „Westpreußen-​​Jahrbuchs“ mög­lichst schon im Jahr 2023 veröffentlicht.

 ■  Joan­na Szkolnicka