Am zwei­ten Tag des dies­jäh­ri­gen Westpreußen-​​Kongresses, den die West­preu­ßi­sche Gesell­schaft vom 22. bis zum 24. Sep­tem­ber in Waren­dorf ver­an­stal­tet hat, wur­de nach vier Jah­ren neu­er­lich der West­preu­ßi­sche Kul­tur­preis ver­lie­hen, und zwar an Frau Pro­fes­sor Dr. Karin Fried­rich, die inner­halb des Kon­gress­pro­gramms bereits den Eröff­nungs­vor­trag gehal­ten hatte.

In sei­ner Lau­da­tio mach­te der Vor­sit­zen­de der Gesell­schaft, Prof. Dr. Erik Fischer, die Anwe­sen­den mit der Lau­rea­tin und ihrem Œuvre genau­er bekannt. – Karin Fried­rich lehrt seit 2005 als Pro­fes­so­rin für die Geschich­te Euro­pas in der Frü­hen Neu­zeit an der Uni­ver­si­ty of Aber­deen. Zuvor wirk­te sie von 1995 bis 2004 an der School of Sla­vo­nic and East Euro­pean Stu­dies, Uni­ver­si­ty Col­lege Lon­don. Von 1984 bis 1989 hat­te sie Geschich­te und Poli­tik in Mün­chen stu­diert und wur­de 1995 an der George­town Uni­ver­si­ty, Washing­ton D. C., pro­mo­viert. Aus die­ser Dis­ser­ta­ti­on ging ihre ers­te Mono­gra­phie her­vor: The Other Prus­sia. Pol­and, Prus­sia and Liber­ty, 1454–1772 (Cam­bridge 2000), die bezeich­nen­der­wei­se 2006 auch auf Pol­nisch erschien. 

Damit hat­te sie ein zen­tra­les The­ma ihrer For­schung ange­schla­gen, das sie in den fol­gen­den Jah­ren in ver­schie­de­nen Hin­sich­ten per­spek­ti­visch erwei­tert und ver­tieft hat. Dies zei­gen ihre Publi­ka­tio­nen zur Staats­bil­dung von Brandenburg-​​Preußen und zum Auf­stieg von Ber­lin wie The Cul­ti­va­ti­on of Mon­ar­chy and the Rise of Ber­lin: Brandenburg-​​Prussia 1700 (mit Sara Smart, Farn­ham 2010) oder Branden­burg-​​Prussia, 1466–1806. The Rise of a Com­po­si­te Sta­te (Basingsto­ke 2011). Dane­ben machen Publi­ka­tio­nen zur poli­ti­schen Ideen­ge­schich­te Polen-​​Litauens, zur Stadt­ge­schich­te oder zur früh­neu­zeit­li­chen Fest­kul­tur und Kon­fes­si­ons­ge­schich­te wei­te­re Schwer­punk­te ihrer Arbei­ten kenntlich.

Neben der Viel­zahl von Ver­öf­fent­li­chun­gen gehört die Arbeit als Redak­ti­ons­mit­glied und Mit­her­aus­ge­be­rin an meh­re­ren renom­mier­ten Fach­zeit­schrif­ten eben­so zum Pro­fil der Wis­sen­schaft­le­rin wie ihre Koope­ra­ti­on inner­halb des Wol­fen­büt­te­ler Arbeits­krei­ses für Barock­for­schung, das inten­si­ve Enga­ge­ment für die Ger­man Histo­ry Socie­ty oder ihre Tätig­kei­ten im Bei­rat des Deut­schen His­to­ri­schen Insti­tuts in Warschau.

Karin Fried­richs his­to­rio­gra­phi­sche Ansät­ze, die weit­rei­chen­den Kon­se­quen­zen, die dar­aus für die Erfor­schung und das Ver­ständ­nis von »West­preu­ßen« zu zie­hen sind, sowie die beein­dru­cken­de Viel­falt ihres Schaf­fens ver­an­lass­ten den Vor­stand der West­preu­ßi­schen Gesell­schaft, die­ser Wis­sen­schaft­le­rin den West­preu­ßi­schen Kul­tur­preis 2023 zu ver­lei­hen. Im Text der auf den 22. Sep­tem­ber 2023 datier­ten Urkun­de wer­den zunächst die Leis­tun­gen der Lau­rea­tin aus­führ­li­cher gewürdigt: 

Das bis­lang vor­lie­gen­de Œuvre von Frau Pro­fes­sor Dr. Karin Fried­rich hat den Blick auf die Geschich­te des Lan­des an der unte­ren Weich­sel maß­geb­lich zu erwei­tern und zu schär­fen ver­mocht. Ihre 2000 erschie­ne­ne Dis­ser­ta­ti­on zum »ande­ren Preu­ßen«, zum »Preu­ßen König­li­chen Anteils«, hat eine alter­na­ti­ve Per­spek­ti­ve auf das Land an der unte­ren Weich­sel eröff­net, weil sie nun das wahr­zu­neh­men erlaub­te, was zuvor aller­meist ideo­lo­gisch ver­kürzt, wenn nicht gänz­lich aus­ge­blen­det geblie­ben war: die his­to­ri­sche Ent­wick­lung die­ser Kul­tur­re­gi­on von der Mit­te des 15. Jahr­hun­derts bis zum Jah­re 1772. Anschlie­ßen­de Arbei­ten haben das Umfeld der mit­tel­ost­eu­ro­päi­schen Geschich­te in der Frü­hen Neu­zeit unter wech­seln­den Aspek­ten gleich­wie in metho­disch varia­blen Zugrif­fen dif­fe­ren­ziert erschlos­sen und das Bewusst­sein für die man­nig­fa­chen inter­kul­tu­rel­len Aus­tausch­pro­zes­se in die­sen Sied­lungs­ge­bie­ten geschärft. Dabei ist es zudem in über­zeu­gen­der Wei­se gelun­gen, die Anschluss­fä­hig­keit die­ser The­men an den inter­na­tio­na­len For­schungs­dia­log erheb­lich zu verstärken.

Im Anschluss dar­an begrün­det der Vor­stand sei­ne am 20. Janu­ar 2023 getrof­fe­ne Entscheidung:

Die West­preu­ßi­sche Gesell­schaft sieht in Frau Pro­fes­sor Dr. Karin Fried­rich somit eine füh­ren­de Ver­tre­te­rin einer anspruchs­vol­len, inno­va­to­ri­schen Geschichts­wis­sen­schaft; als For­sche­rin wie als Hoch­schul­leh­re­rin ent­wirft sie neue, trag­fä­hi­ge Fra­ge­stel­lun­gen, för­dert nach­drück­lich das Inter­es­se an »West­preu­ßen« und lei­tet nicht zuletzt zur kri­ti­schen Refle­xi­on längst ver­trau­ter his­to­rio­gra­phi­scher Kon­zep­te an. Aus die­sem Grun­de ver­leiht ihr die West­preu­ßi­sche Gesell­schaft als Dank, Aner­ken­nung und Ansporn den West­preu­ßi­schen Kul­tur­preis 2023.

Unter dem Applaus aller Kon­gress­teil­neh­mer nahm Frau Pro­fes­sor Dr. Karin Fried­rich den Preis ent­ge­gen und ließ in ihren herz­li­chen Dan­kes­wor­ten deut­lich wer­den, dass sie der West­preu­ßi­schen Gesell­schaft und deren Akti­vi­tä­ten auch wei­ter­hin freund­schaft­lich ver­bun­den blei­ben möchte.

 ■ Die DW-​​Redaktion